von Malin Schmidt

Leerstand, wohin man blickt. Dunkle Schaufenster am Bahnhof, verhangene Scheiben am Kuhberg und verschlossene Türen in der Lütjenstraße. Wo einst geschäftiges Treiben herrschte, spazieren heute noch vereinzelt Passant*innen. Doch den Verfall ihrer Stadt wollen einige Neumünsteraner*innen nicht hinnehmen. Sie gründeten die Bürgerinitiative „Die NähMaSchine“ und unterstützen damit die inhabergeführte Handelskultur.

Neumünster zählt zu jenen Städten des Landes, die den die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Aufschwung scheinbar verpasst haben. Die Kaufkraft schwindet, viele Unternehmen verlassen die Innenstadt und das kulturelle Angebot verringert sich. So dreht sich der Teufelskreis weiter, bis kaum ein inhabergeführtes Geschäft mehr übrig ist. Zwar gibt es mit der Holsten-Galerie ein Einkaufszentrum im Herzen der Stadt und ein Designer Outlet, die mit zahlreichen Läden Waren aus nahezu allen Lebensbereichen bieten. Doch diese gehören fast ausschließlich zu Einzelhandelsketten. Ladengeschäfte in der Innenstadt, sogar in zentraler Lage am Kuhberg und am Großflecken, bleiben leer. Manchmal Monate lang. Besonders sichtbar wird dieser Strukturwandel in der Lütjenstraße. Sie ist eine der ältesten und ursprünglichsten Gassen der Stadt, ist schön anzusehen und gepflegt. Und trotzdem gibt es auch hier viel Leerstand. Der macht es den individuellen Unternehmen, die hier noch bestehen, umso schwerer. Aus diesem Grund wurde die NähMaSchine aktiv.

Ladengeschäfte in der Innenstadt von Neumünster bleiben oft lange leer. Dagegen unternimmt die Bürgerinitiative NähMaSchine etwas.

Lütje Verkledung
Erstmals 2018 und dann in den Folgejahren initiierte das Netzwerk die „Lütje Verkledung“. Mit dieser bunten Bannerparade begrüßt die NähMaSchine Neumünsters Neugeborene. Die Babynamen werden großformatig und bunt auf Stoffe gedruckt und über der Straße aufgehängt. Das erinnert an die Geschichte der Textilstadt und bringt die Freude über die neue Generation zum Ausdruck. Gleichzeitig soll die Aktion ein Appell an die Gesellschaft und die Politik sein, die Umwelt und die Stadt nachhaltig zu gestalten, sodass sie auch in Zukunft noch lebenswert sind.

Schöne Aktion: Mit der „Lütje Verkledung” begrüßt die NähMaSchine die Neugeborenen von Neumünster.

StadtChancen
Jeder Leerstand bietet eine Chance, eine „StadtChance“, mit der Bürger*innen ihr Umfeld gestalten und attraktiv machen können. So werden in Neumünster ungenutzte Schaufensterscheiben mit verschiedenen Plakataktionen der NähMaSchine genutzt. Großer Beachtung erfreut sich beispielsweise die Aktion zum Hochschulstandort, in der verschiedene Bürgerstimmen zu diesem Thema abgedruckt wurden. Auch hinter dem Projekt „Ansichtssachen“ stehen Neumünsteraner*innen und die NähMaSchine. In Zusammenarbeit mit Rainer Hebel, Inhaber von der „Philatelie an der Schwale“, und ehrenamtlichen Mediendesigner*innen wurden historische Stadtansichten als dekorative Plakate aufbereitet und passgenau für Schaufensterscheiben angefertigt.

Die 19
Seit gut einem Jahr schmücken die Grundrechtsartikel unserer Verfassung die Wand zwischen Stadthalle und Textilmuseum. Die Aktion ist in Zusammenarbeit mit der regionalen Künstlerin Kirsten Grothe entstanden. Jeder der 19 Artikel wurde von ihr als große Metalltafel gestaltet, die in ihrer Gesamtheit asymmetrisch und spannungsgeladen an der sonst eher tristen Betonwand angebracht wurden. „Die 19“ steht für den demokratischen Wertekatalog und ist ein unübersehbares Zeichen für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung.

Themenfreund*in werden und unterstützen
Hinter all diesen Aktionen steht die NähMaSchine als ein Symbol. Sie näht die Gesellschaft wieder zusammen, schafft eine Schnittmenge und bringt Menschen zueinander. Sie ist eine Maschine: Die Nähmaschine macht, sie produziert, sie rattert. Unaufhörlich für das Gemeinwohl. Unaufhaltsam für unsere Demokratie. Um die NähMaSchine stabil und stark zu machen, bedarf es Unterstützung. Nicht nur in der Vereinsarbeit, sondern auch im weiteren ehrenamtlichen Umfeld. Hier können interessierte Bürger*innen als Themenfreunde aktiv werden. Sie gestalten ihre Stadt im Sinne des Gemeinwohls und des Miteinanders und bringen ihre Kompetenzen ein. Sie designen Plakate, lackieren Stellwände, schließen Elektrokabel an, bedienen Baumaschinen und beraten die NähMaSchine mit ihrem Fachwissen. Die Vielfalt der an sie gestellten Fachfragen und Nachfrage ihrer professionellen Mitarbeit in Kräftewerken ist unbegrenzt. Wer so helfen will, spricht einfach jemanden aus der NähMaSchine an oder schreibt eine E-Mail.

www.die-naehmaschine.org

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