Gefriergetrocknet

Sollte heute zufälligerweise der 1. April sein, dann ist es verlockend und naheliegend an dieser Stelle die Rhetorik des Aprilscherzes einzusetzen. Aber dieses Jahr lassen wir ihn unangetastet am Wegesrand liegen.

Mal im ernst: Haben Sie sich nicht schon gewundert, wie das funktionieren konnte? Da ziehen zwei Monate direkt nacheinander über’s Land, an denen es sündhaft warm ist. Was da der Januar und gleich hinterher der Februar an dermaßen warmer Luft ins Land geholt haben, konnte doch nicht anders als von der Natur falsch interpretiert werden. Und so frohlockten bereits im zweiten Monat und Anfang März die Krokusse als das Maß der Frühlingsdinge und tobten sich beim Blühen bereits frühzeitig aus. Nicht ganz. Sie machten den Eindruck, dass es zum Husumer Krokusblütenfest als der Institution für zeitlich korrektes Blühen bei uns im Land dieses Jahr alles mit rechten Dingen zuging. War die Witterung also doch nicht um Wochen zu früh?

Schnellkaffee

Ein mutiges Jein ist die korrekte Antwort. Die Natur bediente sich womöglich einer Technik, die bei der Herstellung von sogenanntem „Schnellkaffee“ zum Einsatz kommt (so wie ich sie mir vorstelle). Was war im März passiert? Zuerst blieb der Regen aus und dann fuhren die Temperaturen Berg und Tal. Steil hoch, steil runter, als gäbe es nur noch zwei Zustände: in der Nacht konservierender Frost, am Tag vorfrühlingshafte zweistellige Grade, die sich eine zeitlang sogar auf vollwertiges Frühlingswetter einließen und die Blumen anfeuerten, jetzt schon zu blühen. Machte nichts. Das Ergebnis der „Gefriertrocknung“ konnte sich sehen lassen. Die bezaubernden Frühlingsblüher hielten tatsächlich bis zum besagten Blütenfest durch. Von vier Millionen Blüten war die Rede. 

Mittlerweile ist April. Januar und Februar liegen schon eine Weile zurück. Der März hat trotz seiner großen Schwankungen von viel zu kalt in den Nächten und viel zu warm an den Tagen bei den Temperaturen scheinbar im Mittel keine Spuren hinterlassen. Eine Fehleinschätzung wie wir alle wissen. Es ist so gut wie kein Regen gefallen. Wo noch vor zwei Monaten Schleswig-Holstein unter Wasser stand, ist der Waldbrandindex zwischendurch auch schon mal auf Stufe 4 hochgeschnellt. Die Natur merkt sich auf lange Frist alles.

Meeno Schrader

Schon seit seinem 15. Lebensjahr ist das Wetter für Meeno Schrader weit mehr als nur Small Talk. Er hat es an den unterschiedlichsten Plätzen der Welt „getestet“ und lebte und arbeitete unter anderem in Australien, Korea, der Karibik und den USA. Seit 2002 ist er der „Wetterfrosch“ des Schleswig-Holstein-Magazins beim NDR. In der Lebensart verrät er jeden Monat einen Gedanken aus seinen Wetterwelten.

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