Frisch vom Feld

Die Slowflower-Bewegung möchte mehr Nachhaltigkeitsbewusstsein auch bei Zierpflanzen wecken und schafft einen regionalen, saisonalen Markt für naturbelassene Schnittblumen.
von Nicoline Haas

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Weitgereiste Erdbeeren zu Weihnachten? Lieber nicht. Geht es ums Essen, achten viele von uns auf nachhaltig erzeugte Produkte aus der Region. Doch fragen Sie auch im Blumenladen nach, woher die Rosen stammen, oder ob die makellosen Lilien womöglich gespritzt wurden? Wer von Andrea David wissen will, wo und wie ihre Blumen gewachsen sind, erntet als Antwort: „In Bad Oldesloe, quasi in Kirschkernspuckweite von meinem Haus entfernt. Und dort bekommen sie nur etwas Kompost, organischen Volldünger und täglich liebevolle Fürsorge.“ 2021 ergriff die erfahrene Hobbygärtnerin und freie Gartenplanerin die Chance, einen benachbarten Acker zu pachten. Sie schloss sich der gerade aufkeimenden Slowflower-Bewegung an und startete mit dem Anbau von Schnittblumen, überwiegend Stauden.

Wilde Schönheiten

Anfang Juni, Gartenmesse in Stocksee. Am Stand von „Davids Zaubergarten“ brummt und summt das Geschäft – auch Bienen wurden von der duftenden Pracht angelockt, die mit dem üblichen Floristikangebot wenig gemein hat: Pflanzen wie die Jungfer im Grünen, Fingerhut, Mohn und Rittersporn erinnern an einen Bauerngarten oder an eine selten gewordene Blumenwiese und wecken romantische Gefühle. Für einen Strauß kombiniert Andrea weiße Strahlenbreitsame mit Honiglauch und lila Kornblumen und steckt zur Auflockerung einige Stängel Gartenkresse hinein, von der viele sicher nur die leckeren Keimlinge kennen. Die Zaubergärtnerin und ihre Hamburger Kollegin Lisa Motullo („Liebste Blumen“) teilen die Passion für Blumenschmuck, der natürlich und ungebändigt daherkommt. Zusammen dekorieren sie auch Hochzeiten und andere Sausen. Im Slowflower-Bewegung e. V. engagiert sich Lisa als vierte Vorständin. „Wir sind ein Schwarm aus Gleichgesinnten: Wir tauschen uns intensiv aus, teilen Wissen, praktische Tipps und Ideen. Oft auch Saatgut und Pflanzen“, erzählt sie. Inzwischen bestehe der Schwarm aus über 320 Mitgliedern, darunter acht in Hamburg und Schleswig-Holstein.

Giftige Fracht

Ein wichtiges Anliegen ist ihnen mehr Transparenz: So ist eine Herkunftsangabe bei Lebensmitteln Pflicht, bei Blumen noch nicht. Und das, obwohl rund 80 Prozent der Schnittblumen im deutschen Handel aus dem Ausland kommen. Anders wäre ein ganzjährig breites Angebot unmöglich, anders gäbe es keine Rosen zum Valentinstag. Allein 1,3 Milliarden Rosen wurden 2022 importiert. Die meisten stammen aus fernen Ländern wie Kenia, Äthiopien und Ecuador und legen einen Zwischenstopp in Holland ein, wo der weltgrößte Blumenmarktplatz sitzt. Für „perfekte“, transportfeste Blumen werden auf den Farmen im Globalen Süden oft massenhaft Pestizide versprüht, die auch die Beschäftigten gefährden. Auf Slowflower-Feldern ist Chemie tabu, und nach dem Schnitt geht es nachhaltig weiter: „Weder hüllen wir Blumen in Einwegplastik, noch nutzen wir Steckschaum“, sagt Andrea David und biegt die Stängel eines Blumengestecks auf dem Tresen zur Seite: Zum Vorschein kommt ein wiederverwendbares Drahtgitter.

Selbst kreativ werden

Viele Flowerfarmerinnen und -künstlerinnen geben ihr Wissen gerne weiter und laden zu Workshops und blumigen Erlebnissen ein. So auch Nadja Neumann und Alena Heeg von „Mentha Piperita“: Yoga, Picknick oder eine JGA-Feier im Blütenmeer? Es gibt vielfältige Gelegenheiten, ihr Sommerblumenfeld in Hamburg-Hummelsbüttel zu erleben. Beim Workshop „Zeit im Blütenmeer“ kreieren die Teilnehmer*innen eigene floristische Werkstücke wie Flowercrowns oder wildromantische Sträuße. Auf Anfrage sind weitere Kurse möglich, etwa zum Thema Blumenfotografie oder „Mein eigener Schnittblumengarten“.

Blumen für immer

Neben frischen Slowflowers bieten Nadja und Alena zauberhafte Trockenblumen an – eine schöne Idee, um die Blumensaison zu Hause zu verlängern. Auch Lisa Motullo feiert das Revival der Trockenblumen: Geeignete Arten wie Sonnenflügel, Papierblume und Kugelamaranth kultiviert sie in ihrem Garten und auf dem Demeter-Gärtnerhof am Stüffel, wo sie auch Reittherapiestunden gibt. Zum Trocknen hängt sie die Stiele kopfüber auf und verarbeitet sie später unter anderem zu Kränzen. So werden aus langsamen Blumen ewige Blumen.


slowflower-bewegung.de
david-zaubergarten.de
liebsteblumen.de
mentha-piperita.de

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