Stefan Harm und Tobias Jopp gestalten Wohlfühlkleider aus Hightech-Jersey, die von der Radtour bis zum roten Teppich eine tolle Figur machen. Einzigartig ist ihr „Wünsch dir was“-Service im Laden und Atelier: Den Rock einen Tick länger? Oder das Oberteil aus dem Stoff der Vor-Vorsaison? Gerne! Die Designer freuen sich, jeder Kundin ihr Lieblingsoutfit zu bescheren.

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Dreamteam der Hamburger Modeszene: Tobias Jopp (links) und Stefan Harm. Seit 17 Jahren verkaufen sie ihre Kleidung in einer charmanten Boutique in der Hegestraße.

Im 4. Stock des Gewerbehauses in Hamburg-Lokstedt geht es so vergnügt zu wie bei einem Handarbeitskränzchen. Während die Nähmaschinen rattern und die Bügeleisen dampfen, klönen und lachen die fünf Frauen in einer Tour. Gute Laune verbreiten auch die Farben und Muster der neuen Frühjahrs- und Sommerkollektion, die unter ihren Händen entsteht, darunter ein karibisches Türkis, ein hanseatisches Klinkerrot und ein wie gemalt wirkendes Federmuster in Pink, Orange und Lila. „Mutter“ des Atelierteams ist Maria, die gerade ein raffiniertes Wickeloberteil mit kurzen Flügelärmeln (siehe Foto links) fertiggestellt hat und an der Puppe zurechtzupft. Die gelernte Bekleidungstechnikerin und Schnittdirektrice ist schon 20 Jahre dabei – also fast von Anfang an. Auch dass sie ihre Chefs „meine Jungs“ nennt, sagt viel über das Arbeitsklima bei HARM JOPP aus.

Der letzte Schrei hat uns noch nie interessiert

Tobias Jopp

Gleich nach ihrem Modedesignstudium an der HAW Hamburg im Jahr 1997 machten sich Stefan Harm und Tobias Jopp mit ihrem eigenen Modelabel selbstständig. Ursprünglich hieß es FKK – für Freiheit, Körper und Kultur. „Doch der neckische Name sorgte oft für Irritationen, wirkte auf manche sogar abtörnend“, verrät Tobias schmunzelnd. Klar, bei FKK denkt man eher an sandpanierte Nackedeis beim Beachvolleyball, weniger an schicke Klamotten! Abgesehen von der Namensänderung und jährlich neuen Designs – überwiegend für Frauen, in kleinem Umfang auch für Männer – hat sich bei FKK / HARM JOPP in all den Jahren aber grundlegend wenig verändert. Erstaunlich, angesichts der schnelllebigen Modebranche und weiterer rasanter Entwicklungen. Viele früh getroffene Entscheidungen haben sich bewährt. Was macht ihr Erfolgskonzept aus? 

Foto: Tobias Lang

Der perfekte Wohlfühlstoff 

Seit den 1990ern folgt das Duo einer Kernidee: Mode zu machen, die nicht nur gut aussieht, sondern sich auch richtig gut anfühlt. „Wir waren mit die ersten, die Jerseystoffe salonfähig gemacht haben, indem wir sie zum Beispiel für elegante Kleider und Business-Anzüge eingesetzt haben“, erzählt Tobias. Stefan ergänzt: „Damit kann man sehr spielerisch und kreativ umgehen, man ist viel freier in der Gestaltung als bei konventionell gewebten Stoffen.“ Jersey bezeichnet einen feinen, dehnbaren Strick – also Maschenware. HARM JOPP nutzen überwiegend langlebige Hightech-Jerseys aus Polyamidfasern, aber auch aus Viskose und Modal, die auf natürlichen Rohstoffen basieren. Tobias: „Durch einen bis zu 30-prozentigen Stetch-Anteil ist das Material besonders angenehm zu tragen, macht jede Bewegung mit und verliert nicht die Form. Außerdem kannst du so ein Jerseyteil in den Koffer stopfen und am Urlaubsort wie frisch gebügelt entnehmen und direkt wieder anziehen.“ 

Foto: Tobias Lang

Auch bei ihren Designs achten HARM JOPP darauf, dass die Kleidungsstücke – ob Kleid, Jumpsuit oder Kombi aus Hose, Shirt und Blazer – als perfekte Begleiter durch den Alltag funktionieren: Morgens ins Büro radeln, dort den ganzen Tag über einen guten Eindruck machen und bequem sitzen, nach Feierabend essen oder tanzen gehen und zum Schluss noch auf der Couch herumlümmeln. „Einige Kunden melden uns zurück, dass sie ihre Sachen am liebsten gar nicht mehr ausziehen würden!“, freut sich Tobias.

Dass er und sein Partner die Musikerinnen des NDR-Elbphilharmonie-Orchesters sowie die NDR-Chorsängerinnen mit langen schwarzen Roben und Mehrteilern ausstatten durften, ist wohl das schönste Kompliment. Auf der Konzertbühne ist schließlich auch Bewegungsfreiheit gefragt. Jede Orchester-Musikerin erhielt ein individuelles, auf ihr Instrument abgestimmtes Outfit, denn eine Flötistin hat andere Ansprüche als eine Cellistin.

Der eigene „echte“ Laden 

Stundenlang einsam vor dem Bildschirm hocken und sich durch die riesigen virtuellen Kaufhäuser scrollen, den Warenkorb füllen, bestellen. Warten, bis der Postmann klingelt. Kartons aufreißen, Kleider aus dem Plastik pellen, anprobieren: Pech! Die Größe 36 ist zu eng, die mitbestellte 38 zu weit, außerdem sahen die Teile auf den Fotos besser aus. Also zurück das Ganze, kostet ja nichts. So sieht das typische Shopping-„Erlebnis“ von heute aus. Auch HARM JOPP betreiben zwar einen Online-Shop, aber die Verkaufszahlen sind relativ gering. Denn für ihre Stammklientel zählt der Einkauf in der kleinen charmanten Boutique in der Eppendorfer Hegestraße zum Markenerlebnis dazu. Genauso wie der Espresso oder das Glas Champagner von der Ladenbar. Stefan und Tobias stehen oft selbst im Geschäft. Das schätzen eure Kundinnen und Kunden sicher, von den Designern und Chefs persönlich betütelt zu werden? „Schon“, antwortet Stefan, „aber viele kommen auch gezielt zu unserer Kollegin Christelle, unserer Ballett- und Burlesque-Tänzerin aus Paris, und möchten nur von ihr beraten werden.“ 

Zeit für einen munteren Klönschnack ist immer! Im Atelier in Hamburg-Lokstedt werden die Kleidungsstücke entworfen und angefertigt.

Sonderwünsche inklusive 

Der Service ist außergewöhnlich: Sitzt das Wunschkleid von der Stange nicht optimal, weil die Kundin beispielsweise eine Größe 37 bräuchte oder weil sie besonders athletische Schultern hat, dann wird das Schnittmuster für sie angepasst und ein entsprechendes Kleid extra angefertigt. Ohne Aufpreis. Sie kann sich auch einen alternativen Stoff oder eine andere Farbe aussuchen. Oder vielleicht möchte sie ein Modell, das sie vor fünf Jahren bei HARM JOPP gekauft hatte, noch einmal haben. Es hängt zwar aktuell nicht mehr im Laden oder Online-Schaufenster, „aber das Schnittmuster ist ja noch vorhanden, also gar kein Problem!“, versichert Stefan. Bei einer großen Marke wäre dies undenkbar. Da müsste man sich die perfekte Klamotte sofort mehrfach auf Vorrat kaufen, bevor sie weg vom Fenster und nicht mehr zu haben ist.

Auch wenn HARM JOPP zweimal pro Jahr eine neue Kollektion herausbringen, allein schon, um ihre sprudelnde Kreativität auszuleben, dürfen frühere Modelle weiterexistieren und Revivals feiern, finden sie. Ein Stammkundin hat sich ihr persönliches Lieblingsdress „Kati“ inzwischen in sechs Farben bestellt. Das neueste in Flaschengrün hat Stefan gerade unterm Arm. „Ich rufe jetzt einen Kurier“, sagt er, „damit Katharina Fegebank das Kleid noch rechtzeitig vor ihrem TV-Duell heute Abend gegen Peter Tschentscher bekommt.“   

Zeitlose Designs

Im 3. Stock unter der Nähmanufaktur türmen sich in Regalen die Stoffrollen bis zur Decke, an Kleiderstangen hängen dutzende Schnittmuster aus Pappe nebst Modellen verschiedener Jahrgänge. Zum Beispiel die Dauerbrennerin „Audrey“ (siehe Fotos links und rechts). „Audrey ist mein Lieblingskleid, das haben wir schon seit 2006 – und immer wieder in neuen Varianten, Farben und Mustern aufgelegt“, schwärmt Maria. Charakteristisch sind der schräge Ausschnitt, die schräge Taille und der ebenfalls schräg verlaufende Rockschlitz vorn, wodurch der überlappende Stoff etwas länger ist als der darunter. Richtig süß ist das Hamburger Dirndl „Franzi“, entworfen 2014. Es hat weder Schürze, noch Blüschen, die gerüschten Ärmel und das Dekolleté deuten die Form eines klassischen Dirndls nur an. Generell sind die Designs von HARM JOPP sehr individuell und zeitlos. Man erkennt nicht sofort, aus welcher Saison sie stammen. Stefan und Tobias machen auch nicht jeden Trend mit – 7/8-Hosen etwa mögen und machen sie nicht, Punkt.

Alles aus einer Hand – made in Hamburg

Die Stoffe stammen von ausgewählten vorwiegend italienischen Herstellern, die betont nachhaltig arbeiten. Alles andere wird unter einem Dach in Hamburg-Lokstedt gemacht: die Entwürfe, die Schnittmuster, der Stoffzuschnitt, das Nähen und der Maßservice. HARM JOPP produzieren nicht auf Lager, sondern auf Bestellung. Nichts wird für die Tonne genäht. Und in der Regel kann die Ware innerhalb von sieben Tagen geliefert werden. Zwischen Laden und Atelier liegen nicht einmal 500 Meter Luftlinie. 

Auf massives Wachstum haben es die beiden nie angelegt, lieber wollten sie mittelständisch und überschaubar bleiben. Und lokal. Die Produktion in ein fernes Billiglohnland auszulagern, würde auf Kosten von Flexibilität und Schnelligkeit gehen – und wäre auch ethisch gesehen undenkbar für sie. Lieber bezahlen sie faire Löhne in der Heimat und behalten das Wohl ihrer Mitarbeiterinnen – und Kleider – immer im Blick.

HARM JOPP:
Hegestraße 21
20251 Hamburg-Eppendorf
https://harm-jopp.de

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