Viva con Agua und Heimathafen Hotels haben jetzt ein spektakuläres Stadthotel eröffnet, dessen Gewinne großteils in Trinkwasserprojekte fließen. Die Villa Viva Hamburg ist zugleich die neue Büroheimat der Partner, eine Spielwiese für Kunst und Kultur – und ein Ort, um sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und neue Ideen für die Zukunft sprudeln zu lassen.
von Nicoline Haas

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Wie ein übergroßes Tortenstück ragt die Villa Viva in den Himmel. 12,5 Stockwerke hoch. Passend zu ihren Nachbarhäusern im Münzviertel hat sie einen dreieckigen Grundriss und läuft gen Süden spitz zu. Bald werden Pflanzen an ihr emporklettern, in denen Vögel ihre Nester bauen, doch schon jetzt erscheint ihre Gebäudehülle lebendig: Die Fassade ist mit blau, grün und bronze schimmerndem Lochblech verkleidet, und die davor montierten Sonnenschutzlamellen ziert ein Muster aus mäandernden Flüssen und fein verästelten Wurzeln und Adern: alles lebenspendende Transportbahnen. Für das XXL-Kunstwerk des Luzerner Duos Queenkong wurde jede Lamelle individuell bedruckt.

Drinnen setzt sich das Spektakel fort: Zur Begrüßung springen den Gästen zwei verrückte Upcycling-Installationen aus Draht, Wein- und Apfelkisten ins Auge, die das Altonaer Ladenbauteam Vartan.Rocks zusammengebastelt hat. Über der ersten Kistenburg leuchtet der Schriftzug „Zauberkiosk“ (Rezeption wäre ja zu langweilig gewesen), die zweite ist ein Raumteiler mit integrierten Sitzbänken. Im Restaurant „Viva Cantina“, in den Treppenhäusern und vielen Hotelzimmern haben sich Künstler*innen mit Pinseln und Sprühdosen ausgetobt und die Sichtbetonwände farbenfroh verwandelt. Alle Motive spielen mit dem Thema Wasser und vermitteln eine Botschaft oder Vision. Der Berliner Falk Lehmann alias AKUT zauberte ein schwarzes Mädchen an die Wand, das strahlend ein Geschenk auffängt: keinen Bonbonregen, sondern frisches Wasser, das aus einem Hahn plätschert. Daneben steht „Water is a human right.“

Wasser für alle und alle für Wasser

Kunst, ebenso Musik und Sport begeistern und verbinden Menschen weltweit. Viva con Agua (VcA) nutzt dieses Potenzial, um positiv auf ihre Themen aufmerksam zu machen, Spenden und neue Unterstützer*innen einzusammeln. Warum strömen beispielsweise jedes Jahr um die 17.000 Leute zum Kunst- und Musikfestival „Millerntor Gallery“ ins Stadion des FC St. Pauli? Weil es ihnen Spaß macht und nebenbei dem guten Zweck dient: Alle Gewinne der Kunstauktion fließen in die gemeinnützige Projektarbeit. VcA-Initiator Benny Adrion war früher Fußballprofi – zuletzt bei dem Kiezclub. Dieser unterstützte mit seiner Fangemeinde schon das erste Wasserprojekt 2005 in Kuba und ist seitdem eng mit der Organisation befreundet. Derzeit ist VcA in neun afrikanischen Ländern, Indien und Nepal aktiv. Bei ihren „WASH“-Projekten geht es darum, Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Versorgung zu verschaffen, etwa durch den Bau von Brunnen und Toiletten. Zudem wird Kindern und Jugendlichen spielerisch wichtiges Hygienewissen vermittelt. Beispiel „Dance for WASH“: Coole Hip-Hop-Moves motivieren zum Händewaschen mit Seife – „wash it, shake it, break it!“

Die Kraft eines großen Netzwerks

Zur VcA-Familie gehören inzwischen Vereinsableger unter anderem in der Schweiz, Uganda und Südafrika, eine Stiftung und mehrere Sozialunternehmen: Neben dem Kunstmarkt spült auch der Verkauf von Goldeimer-Klopapier oder „kleinlautem“ Mineralwasser aus Husum stetig Geld in die Projektkasse. Warum also nicht mal größer denken … und ein Hochhaus bauen, das bald viele neue Brunnen bohrt?!

Dass dieser Coup gelang, ist auch Viva con Aguas engagierter Community zu verdanken. Das nötige Eigenkapital von 5,5 Millionen Euro haben 18 Privatpersonen aufgebracht, darunter Mitra Kassai, „Oll Inklusiv“-Gründerin und Kulturmanagerin, die Musiker Bela B. und Jan Delay, Gastronom Tim Mälzer und die (Ex-)Kicker Kevin Kuranyi und Max Kruse. Benny Adrion hebt hervor: „Obwohl wir selbst keinen Cent an Spendengeldern investiert haben, bekommen der Viva con Agua de Sankt Pauli e. V. und die Viva con Agua Stiftung 67 Prozent der Anteile an unserer Villa Viva Holding. Die ,Shareholder Gang‘ begnügt sich mit dem restlichen Drittel und hat sich verpflichtet, ihre Anteile mindestens 15 Jahre lang nicht zu verkaufen. Das ist sehr bemerkenswert.“

Neben seiner Aufgabe als Stiftungsvorstand hat Benny das Projekt Villa Viva von der ersten Skizze bis zu ihrer Eröffnung am 16. November geleitet und ist Chef der genannten Holding. Das Geschäftsmodell ist insgesamt recht komplex, doch unterm Strich zählt, dass rund 40 Prozent der Gewinne des Gasthausbetriebs in die Wasserprojekte fließen sollen. Die Villa Viva will aber mehr sein als ein Social Business: „Sie soll eine inspirierende Plattform sein, wo viele Leute zusammenkommen, die Lust haben, etwas zu bewegen“, sagt Benny. Dazu werde es Konferenzen und Workshops zu diversen Zukunftsthemen geben, aber auch Konzerte, Kunstevents, Partys und mehr. Dass es jetzt nach 7 Jahren Planungs- und 2,5 Jahren Bauzeit endlich losgeht, fühlt sich für ihn an „wie ein wundervoller Wahnsinn“.

Ein Raumsparwunder

Fünf Wochen vor Eröffnung, als fast überall noch gemalt, gehämmert und geschraubt wird, kommt Lebensart in den Genuss einer exklusiven Baustellenführung mit Paula Rendel aus dem Villa Viva-Team. Beim Rundgang fällt auf, wie geschickt die Architekt*innen mit dem dreieckigen Grundriss und relativ knappen Platzangebot umgegangen sind. So wurden etwa die Fensterlaibungen mit Holz verkleidet und als Sitzplätze nutzbar gemacht. „443 Quadratmeter Grundfläche sind für ein Hochhaus echt wenig, zumal wir drei Fahrstühle und zwei Treppenhäuser mit unterbringen mussten“, sagt Paula. Die meisten Gästezimmer sind nur zwischen 9 und 15 Quadratmeter groß. Herzstück der Kategorie „Tiny“ ist das maßgetischlerte Doppelbett mit Schubkästen für das Gepäck. Der Rahmen geht in ein Podest über, das zusätzliche Ablage- und Lümmelfläche bietet, und an der Wand hängt ein ausklappbarer Tisch. Kein Sessel, kein Kleiderschrank – trotzdem wirkt der Raum nicht spartanisch, sondern superkuschelig. In den Bädern der Villa wurden aquarellige Blau- und Grüntöne mit pudrigem Apricot kombiniert, dazu passen die Wasserspar-Armaturen und Accessoires in mattschwarz.

Das heiße Nass zum Duschen und für die Küche wird auch via Solarthermie auf dem Dach erzeugt, gesammeltes Regenwasser speist einen Löschwassertank und löscht den Durst der Pflanzen an der Fassade und auf dem Dach.

„Gutes tun im Schlaf“

Für den Betrieb des Hotels hat sich das Team einen Partner an Bord geholt, der wie Viva con Agua den Community-Gedanken zelebriert: In den lässigen Beach Motels und Bretterbuden, dem schnieken Lighthouse Büsum und anderen Häusern der Marke Heimathafen® Hotels werden Gäste zu Freund*innen, und ein Netzwerk aus kooperierenden Lifestylemarken von MINI bis samova sorgt für vielfältige Design- und Erlebniswelten. „Ebenso spielen Nachhaltigkeit und soziale Werte für uns eine wichtige Rolle, da schwimmen wir mit Viva con Agua auf einer Welle“, sagt Marketingleiter Christian Sroka. Kennengelernt hatten sich die Partner 2012, als Geschäftsführer Jens Sroka den Plan verfolgte, Charity-Suiten im Beach Motel SPO zu integrieren. Neben der Brausemarke LemonAid durfte Viva con Agua selber eine Suite einrichten und fortan 20 Prozent der Übernachtungserlöse für ihre Projekte einsammeln.

In der Villa Viva wird nun jedes Zimmer, Essen und Getränk „Wasser für alle“ fördern. Ist sie auch ein Gasthaus für alle? Die größte, luxuriöste „Dicke Hose“-Suite kostet 275 Euro, eine Nacht auf dem „Camping Ground“ günstige 19,10 Euro. Statt Zelten stehen dort zwölf Schlafboxen: Je zwei teilen sich eine Bettkonstruktion aus Stahl und Spanplatten. Zum Beispiel befindet sich ein Bett unten rechts in einer Nische, und in der Nachbarbox ist die Bettnische oben links, erreichbar über eine Leiter. So schlafen zwei Gäste übereinander wie in Stockbetten, nur eben räumlich getrennt. „Auf meinen Rucksackreisen habe ich oft in großen Schlafsälen übernachtet, mit Schnarchen und mieser Luft“, erzählt Paula Rendel. „Da finde ich diese Lösung besser: Es ist zwar eng, aber dafür hast du deinen eigenen Space und kannst deine Sachen einschließen“, sagt sie. „Außerdem kriegst du hier zum Jugendherbergstarif viel Kunst geboten und kannst alle Annehmlichkeiten des Hotels genießen, von der Sauna bis zur Bar mit Dachgarten.“

Für die „Roof Drop Bar“ hat der Hamburger Künstler TenTen ein extravagantes Raumkunstwerk aus wellen- und wolkenförmigen Schichtholzplatten entworfen. Tische, Bänke, Tresen, Wand- und Deckenelemente verschmelzen zu einem vielschichtigen Gebilde, das an Reisterrassen oder Höhenlinien in einem topografischen Atlas erinnert. Man fühlt sich wie in einer Traumlandschaft, alles im Raum scheint in Bewegung zu sein. Berauschend. Das wird die Ideen der Gäste sicher sprudeln lassen … auch bei einem Glas Hamburger Leitungswasser.

www.villaviva-hamburg.de
www.heimathafenhotels.de


Fotos: Heimathafen Hotels / Carolin Wehmer/ Leonard Müller / David Walter

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