Weite, Gelassenheit, Stärke – mit diesen Worten beschreibt Manuela Warda ihr Leben auf Hallig Hooge. Vor drei Jahren wagte sie mit ihrer jüngsten Tochter den Schritt vom Festland in die Nordseeidylle, um hier als Lehrerin zu arbeiten. In ihrem Buch „Den Wind im Haar, das Meer im Blick” erzählt sie nun von ihrem Leben im Rhythmus der Gezeiten. Wir verlosen drei Exemplare der Neuerscheinung.

Lebensart: Bevor Sie nach Hooge kamen, haben Sie in einer Grundschule in Niedersachsen unterrichtet. Warum haben Sie sich entschieden, auf die Hallig zu gehen?

Manuela Warda: Das war eine absolut spontane Entscheidung. Die Grundschule, an der ich bis dahin unterrichtet hatte, wurde geschlossen, und ich musste mich ohnehin neu orientieren. Dann sah ich auf Facebook ein Foto von einer Warft mit der großen Überschrift „Halliglehrer gesucht”. Ich habe vorher noch nie eine Hallig betreten, aber dieses Bild mit seinen Farben und seiner Weite hat mich gefesselt. 

Mit welchen Vorstellungen sind Sie nach Hooge gekommen?

Ich bin mit einer Art Bullerbü-Fantasie hierhergekommen. Am ersten Tag kamen dann die Kinder mit Piercings, gefärbten Haaren und Tattoos, haben sich angeschrien, wie Kinder es eben manchmal tun. Da dachte ich nur: „Okay, Bullerbü ist das hier nicht.” Danach war ich erst einmal etwas desillusioniert, aber letztlich hat sich alles großartig entwickelt.

Im Unterricht sitzen Schüler:innen der ersten bis neunten Klasse (© Jan-Christoph Elle)

Was unterscheidet eine Halligschule von einer Schule auf dem Festland?

Alles und gleichzeitig nichts. Man hat natürlich deutlich weniger Schüler:innen, und es fehlt der Austausch mit den Kolleg:innen. Hier bin ich komplett auf mich und meine Erfahrungen gestellt. Alles, was ich einmal an Handwerk für den Unterricht gelernt habe, musste ich vorerst über Bord werfen. Wenn man gleichzeitig die erste bis neunte Klasse in einem Raum hat, ist das etwas völlig anderes, als wenn man vor lauter Gleichaltrigen steht. Gleichzeitig unterliegen wir aber genauso den Stundenplänen und dem Stundenkontingent und schreiben genauso Klassenarbeiten. 

Ist das Verhältnis zu den Schüler:innen durch die kleinen Gruppen intensiver?

Definitiv. Durch den begrenzten Raum auf einer Hallig ist man sich den ganzen Tag nah. Dadurch ist die Beziehung viel familiärer als auf dem Festland, wo ein Kind auch mal untertauchen kann. 

Was macht für Sie den Reiz des Halliglebens aus?

Das Allerschönste ist für mich das ursprüngliche Leben inmitten der Naturgewalten – im Winter die Stürme, im Sommer das Glitzern des Meeres. Das ist einfach unglaublich faszinierend. 

Welche besonderen Herausforderungen bringt der Alltag mit sich?

Man muss lernen, die Entbehrungen, die es hier gibt, nicht als negativ wahrzunehmen. Es ist eben einfach so, dass hier nicht alles rund um die Uhr verfügbar ist. Die Herausforderung besteht darin, im Alltäglichen die Gelassenheit zu üben. Und man muss lernen, mit den Menschen hier umzugehen. Dadurch, dass man sich nicht aus dem Weg gehen kann, muss man Unstimmigkeiten schnell beilegen. Letzten Endes muss man es aber auch mit sich selbst aushalten können. Wenn man tagelang im Wasser steht und nicht weg kann, muss man sich noch im Spiegel ansehen können und glücklich sein. 

Manuela Warda liebt die Weite und die Natur der Hallig (© Jan-Christoph Elle)

Warum haben Sie sich nun dafür entschieden, ein Buch zu schreiben?

Im Grunde wollte ich schon immer schreiben. Den Ausschlag hat letztlich die Hallig selbst gegeben. Hätte ich ein Buch über mein Leben in Westerstede als Lehrerin geschrieben, hätte sich kein Mensch dafür interessiert. Hier ist alles viel authentischer. Mein Leben hat mir da einfach ein Sprungbrett geschenkt.

Würden Sie unseren Leser:innen einen kleinen Einblick geben?

In meinem Buch beschreibe ich mein erstes Jahr auf der Hallig mit dem Start  vom Festland aus, dem Übergang und meinen ersten Erlebnissen hier. Es geht aber auch um Fragen wie „Was ist Heimat?”. Ich möchte die Menschen mit in diese wunderschöne Natur nehmen und ihnen Mut machen, Abenteuer zu wagen und auch einmal außergewöhnliche Schritte zu gehen. 

Und was bedeutet Heimat für Sie?

Früher dachte ich immer, Heimat ist der Ort, aus dem ich komme, und Zuhause ist der Ort, an dem ich jetzt lebe. Heute hängt Heimat für mich nicht mehr von einem bestimmten Ort oder Personen ab. Sie ist ein Gefühl. Und dieses Gefühl von Heimat habe ich momentan hier.

Das klingt, als könnten Sie sich durchaus vorstellen, für immer auf Hooge zu bleiben?

Das hängt auch von meiner Familiensituation ab. Ich fürchte, dass ich ein neues Abenteuer eingehen muss, wenn meine Tochter in die höheren Klassen geht. Hier geht der Unterricht ja nur bis zur Neunten. Natürlich gibt es auch Alternativen, aber wahrscheinlich werden wir dann zusammen zurück aufs Festland gehen. In meiner Wunschvorstellung möchte ich dann in einem schönen Holzhäuschen wohnen, in Teilzeit als Lehrerin arbeiten und den Rest der Zeit dem Schreiben widmen.

Auch wenn es jetzt noch Zukunftsmusik ist: Ist es für Sie eine Option, irgendwann nach Hooge zurückzukehren, wenn Ihre Tochter erwachsen ist?

Ich denke, ja. Ich sitze hier manchmal auf dem Deich und stelle mir dann vor, wie ich irgendwann in meinem Garten sitze und auf die Stauden und Beete schaue. Alles blüht bunt – und ich denke ans Meer. Ehrlich gesagt habe ich momentan auch noch keine Vorstellung davon, wo ich nach der Zeit hier leben soll, ohne verrückt zu werden. Ich schaue aus dem Fenster und sehe das Meer, ich gehe aus dem Haus und stehe im Wind. Diese wohltuende Entschleunigung gibt es nur hier.

Interview: Andrea Henkel

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(Teilnahmeschluss ist der 31. August 2022)

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