Wer Oliver Schmuck, den lebensbejahenden Mediaberater der „Lebensart im Norden“,kennenlernt, vermutet nicht, dass er in diesem Jahr ein denkwürdiges Jubiläum feiert: Der 60-Jährige ist seit 25 Jahren Dialysepatient – und zufrieden damit.
von Marion Laß

„Die meisten Leute, die mich nicht kennen und von meiner Geschichte erfahren, sind erstmal geschockt. Und es ist auch nicht witzig, aber die Dialyse ist nicht nur Teil meines Lebens, sondern der Grund, dass ich lebe!“, sagt Oliver Schmuck. Als Redakteurin der Lebensart bin ich heute bei meinem Kollegen zu Hause, um mehr über ihn und seine Lebensgeschichte zu erfahren. Aber mit dieser Aussage hatte ich nicht gerechnet. „Viele denken, dass das Leid überwiegt. Grundsätzlich empfinden viele Krankheit als rein negativ. Das sehe ich anders!“, sagt er. Aber zunächst einmal von Anfang an.

Dreimal in der Woche Dialyse

Wenn Oliver Schmuck auf seinem Bett in der Flensburger Dialysestation liegt, ist sein Atem ruhig. Er weiß, was jetzt passiert: Wenn die Maschine startet, fließt sein Blut durch ein Filtersystem, wird dort gereinigt und anschließend in seinen Körper zurückgeführt. Im Regelfall vergehen dabei sechs Stunden. Danach darf er aufstehen und in den restlichen Tag starten.

Das beste Bett im Zimmer

13 Jahre schon liegt er regelmäßig in diesem Raum, hat inzwischen das – wie er mit einem Schmunzeln sagt – beste Bett im Zimmer und ist dankbar für viele kleine und große Dinge in seinem Leben. Dazu gehören auch die Schwestern und Pfleger auf der Station, zu denen er in all den Jahren eine sehr persönliche Beziehung aufgebaut hat.
Gerade erst vor einigen Monaten feierte der Mediaberater der „Lebensart im Norden“ seinen 60. Geburtstag. Für ihn ist das eine grandiose Zahl, mit der er nicht gerechnet hat, denn seit einem Vierteljahrhundert ist Oliver Schmuck Dialysepatient. „Ich bin unendlich dankbar, dass es die Möglichkeit der Dialyse gibt“, sagt er in unserem Gespräch.

Halbmarathon – der Läufer

Geboren wird Oliver Schmuck im August 1963 in Schenefeld bei Hamburg. Aufgewachsen mit zwei Geschwistern in Barmstedt/Elmshorn, besucht er die dortige Grundschule und geht anschließend auf das Gymnasium, wo er 1983 sein Abitur macht. Sport gehört immer schon zu seiner Leidenschaft, insbesondere das Laufen hat es ihm angetan. Alles verläuft normal.

Erste Anzeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, kommen 1987 auf. Bei einem Check für den Bundeswehr-Zivildienst fallen die erhöhten Werte roter Blutkörperchen und Eiweiß im Urin auf. Daraufhin folgen eine Reihe von Untersuchungen rund um die Blase, die allerdings nichts Konkretes ergeben.

Die Diagnose

Erst 1994 nimmt das Leben von Oliver Schmuck eine gravierende Wende. Inzwischen lebt er mit Frau und Sohn in einer Wohnung und arbeitet als Dozent für Mathe bei der Gesellschaft für Beruf und Bildung sowie in unserem Verlag als Mediaberater. Eines Tages wacht er mit Schwindel auf, ein anschließender Besuch bei einem Internisten und einem Nierenspezialisten ergibt eine IgA-Nephritis – die häufigste primär chronische Erkrankung der Nierenkörperchen.

Mit dieser Diagnose fällt vor 30 Jahren der Startschuss für ein komplett anderes Leben. „Zuerst denkst du, dass alles in den Griff zu kriegen ist“, erzählt Oliver Schmuck von den Anfängen. Doch während ihm sein Arzt erklärt, dass es keine Alternative zur Dialyse gibt, vertraut Oliver Schmuck einem Nephrologen und einem Heilpraktiker. Letzterer spricht von Heilung. Mein Kollege schaut mich eindringlich an: „Welchen Weg geht man dann wohl?“

Zuerst der alternative Weg

Anderthalb Jahre lang beschreitet der damals 35-Jährige den alternativen Weg, bis seine Frau ihn am 22. Januar 1999 im Delirium vorfindet und ins anthroposophische Krankenhaus nach Hamburg fährt. „Ich erinnere mich noch genau an diesen Horrortrip: Mir war so übel und ich musste mich laufend übergeben. Ich war im Wachzustand und kämpfte mit schlimmen Albträumen. Ich wollte auf keinen Fall einschlafen, weil ich Angst hatte, dass ich nicht wieder aufwache“, erzählt Oliver Schmuck von den schlimmsten Stunden seines Lebens. Im Krankenhaus stellt sich heraus, dass er innerlich so stark vergiftet ist, dass er direkt auf die Intensivstation kommt. „Kaum im Krankenhaus angekommen, wurde mir ein Hals-Katheter für die Dialyse gelegt“, weiß er noch genau. Nachdem er während seines Aufenthaltes in Hamburg eine Woche lang täglich an der Dialyse war, kann er zurück nach Hause. Es geht ihm besser, aber der Weg ist nun vorgezeichnet: ein Leben mit Dialyse.

Neues Leben und viel Arbeit

Neben seinem neuen Schicksal, das ja auch erstmal angenommen werden will, wartet zu der Zeit viel Arbeit auf ihn, denn zusammen mit seiner damaligen Frau hat Oliver Schmuck sich in der Flensburger Waldsiedlung Tremmerup ein Reihenhaus gesichert. „Das war Wahnsinn, im Grunde genommen ein völlig falscher Zeitpunkt, aber wir haben es durchgezogen: die Umbauarbeiten an den alten Kasernen-Häusern, meine Arbeit als Dozent, die Dialyse, unser kleiner Sohn, unsere Ehe – was für ein Programm“, resümiert er heute. Die Anforderungen sind so hoch, dass die Ehe scheitert.

Eine Niere – aber verseucht

Als er 40 wird, plädiert sein Arzt für eine Nierentransplantation. Oliver Schmuck ist zunächst unsicher, willigt aber schließlich ein und bekommt vier Jahre später einen Anruf, dass eine Niere für ihn bereitstehe. Doch als wäre die Herausforderung einer Dialyse nicht schon groß genug, ist die Niere, die ihm transplantiert wird, mit einer Virusinfektion verseucht. „Mein Körper wehrte sich heftig gegen das neue Organ, es gab zahlreiche Abstoßungen und trotz Kortison keine Möglichkeit, die Niere zu behalten“, berichtet der Lebensart-Mediaberater der ersten Stunde. Nach einem langen Kampf muss das Organ zwei Jahre später wieder entfernt werden. „Zum Unglück kommt noch Pech dazu“, bringt einer der Ärzte es damals auf den Punkt. „Aber ich hatte auch Glück“, strahlt Oliver Schmuck beim Interview, „denn drei Monate vor meiner Nierentransplantation habe ich beim Tanzen eine für mich sehr attraktive Frau kennengelernt, die dann gemeinsam mit mir den Weg gehen wollte – und es bis heute tut, meine Frau Tanja, die zu meiner großen Freude ihre Tochter mit in die Ehe brachte.“

Dank „Ginger“ zurück ins Leben

Und die Pädagogin schafft auch die Wende, als ihr Mann mit der neuen Niere 2008 in eine schwere Depression fällt. „Ich hatte gedacht, dass ich mit der neuen Niere auch ein neues Leben bekomme, aber tatsächlich konnte ich nicht mal mehr laufen. Immerhin war ich selbst als Dialysepatient noch als Langdistanzläufer unterwegs gewesen. Mit der leider infizierten neuen Niere kam ich nicht mal mehr zum Grundstückszaun.“ Das hat natürlich Folgen. „Ich hatte keine Motivation mehr aufzustehen“, erinnert sich Oliver Schmuck an den Tag, als seine Frau mit einer zehnjährigen Weißen Schäferhündin vor seinem Bett steht. „Ich sollte auf den Hund aufpassen, da die Besitzerin, eine Freundin von ihr, keine Zeit hatte.“ Und das war auch am nächsten Tag so und am übernächsten … „Ginger hieß die Hündin. Sie hat mich wieder zurück ins Leben geholt“, weiß Oliver Schmuck heute. Mit der täglichen Gassirunde kommt auch sein Leben wieder ins Lot. Er möchte wieder arbeiten. „Unserem Chef Jörg Stoeckicht bin ich sehr dankbar, denn er zögerte damals nicht eine Sekunde, mich fest anzustellen – und das bei meiner Krankengeschichte. Sowas vergisst man nicht“, erinnert sich Oliver Schmuck anerkennend.

Alle zwei Tage Blutreinigung

Inzwischen ist die Dialyse sein ständiger Begleiter. Alle zwei Tage fährt er ins PHV-Dialysezentrum Weiche. Viel hat der 60-Jährige über die Krankheit und seinen Körper gelernt, hat seine Ernährung umgestellt und sich angepasst. Das gilt auch für seinen Lebensstil. „Ich kann zwar keine Langdistanzen mehr laufen, da meine neue Hüfte das nicht mitmacht, aber ich genieße jeden Tag die flotten Spaziergänge mit meiner jungen Hündin Frieda, gehe gerne mit der Axt ins Holz, verbringe mit Freunden Bowling-Abende und klopfe auch gerne eine Runde Skat. Dabei kann ich nämlich prima abschalten.“

Zufrieden und dankbar

„Gibt es irgendwann noch mal den Versuch einer neuen Niere?“, will ich wissen. „Im Moment nicht. Ich bin zufrieden, so wie es ist“, versichert mir mein Kollege und ich spüre, dass es stimmt. „Man lernt irgendwann, mit der Situation umzugehen.“
Inzwischen genießen er und seine Frau es, ganz normal in Urlaub zu fahren, denn „fast jede Region verfügt über eine Dialysestation.“ Ob in den Bergen, im Kleinwalsertal, auf Mallorca oder in Ägypten – Oliver Schmuck hat sich mit seiner Krankheit arrangiert und ist in ganz Europa und darüber hinaus unterwegs. Ein ganz besonderes Geschenk hat ihm das Leben noch gemacht: Er kann seine beiden Enkelkinder aufwachsen sehen. Und während ich nach Hause fahre, denke ich: „Hut ab, lieber Kollege!“

Organspende kann Leben retten

Informationen zur Organspende finden Sie unter www.organspende-info.de.
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Rufnummer 0800 / 90 40 400 (montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr)

Fotos: Oliver Schmuck

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