Früher dachte ich immer, dass sie Blut-EKEL heißen, diese kleinen schwarzen Würmer. Und ich muss sagen, dass ich in diesem Fall auf die Frage nach Selbst-Ausprobieren ein klares NEIN hatte. Doch inzwischen finde ich es spannend, wie so manche alte Heilmethode heute in modernen Praxen wieder salonfähig geworden ist. Tees, Einläufe, Wickel, Aderlass, Blutegel, Schröpfen oder Kneipp-Kuren. Es scheint so, dass unsere heimischen Methoden gerade bei modernen Zivilisationskrankheiten eine sinnvolle Ergänzung zur modernen Medizin darstellen könnten.
Die kleinen Schlangen, so die wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen, sind in Deutschland seit den 80er Jahren wieder ‚in‘. Die moderne Biochemie hat inzwischen eine Reihe von entzündungshemmenden und schmerzlindernden Wirksubstanzen und deren Wirkmechanismen im Blutegelspeichel aufgeklärt. Einer dieser Blutegel-Wirkstoffe, das Hirudin, ist ein weltweit anerkanntes Arzneimittel, das bei verschiedenen Blutgerinnungsstörungen, u.a. beim Herzinfarkt, Verwendung findet.
Die Egeltherapie hatte im 19. Jhd. fast zum Aussterben der Tiere geführt. In der Behandlung werden sie im Kontext von Arthrose, Bänderzerrung, Gicht, Sehnenentzündung und Ähnlichem auf die schmerzenden Stellen gesetzt. Das Beißen ist nur ein kleiner Piekser, ähnlich wie bei einer Brennnessel. Nach 5-30 Min. fallen die vollgesaugten Egel von alleine ab. Angeblich soll diese Mahlzeit für die Süßen bis zu einem Jahr ausreichen. Die heilende Wirkung dieser Therapie beruht einerseits auf den Speichelwirkstoffen, andererseits auf den darauf folgenden sanften Aderlass: Die kleinen Wunden sollen 1-2 Tage etwas nachbluten. Diese Mehrdurchblutung regt den Blutfluss und die Heilung an, was bei Gicht und Bluthochdruck helfen soll.
Kontraindikationen bestehen bei Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten, Blutarmut und Insektenallergie. Übrigens: Blutegel werden nur an Ärzte und Heilpraktiker verkauft. In der freien Natur gibt es sie aufgrund von Umweltverschmutzung kaum noch.
Diese uralte und weltweit verbreitete Methode ist schon bei
Hildegard von Bingen im Mittelalter bekannt gewesen und wurde noch in den 20er und 30er Jahren an deutschen Hospitälern praktiziert. Mit dem Aufkommen der Pharmaindustrie verschwand das Schröpfen und wurde erst wieder über die chinesische Medizin populär. Das probiere ich dann auch selbst in einer modernen Physiotherapiepraxis in Hamburg aus; quasi als so eine Art Zusatzprodukt nach einer sanften Massage. Die ballonförmigen Gläser werden teilweise kurz durch Feuer erhitzt oder mithilfe von einem Gummiaufsatz mit Unterdruck versehen. Das zieht das Gewebe nach oben. Die Durchblutung wird gefördert, die Lymphtätigkeit angeregt und die Schmerzen gelindert. Man kann die Gläser dann auch massageartig und sanft über verspannte Partien, Meridiane oder Akupunkturpunkte ziehen, was tief im Gewebe für eine Bewegung und damit Auflockerung sorgt. Für mich war es Genuss pur, aber hinterher konnte ich ein paar Tage keinen Bikini oder hautfreigebende Kleider tragen … Je dunkler ein blauer Fleck ist, desto verspannter war dieser Bereich zuvor. In China scheuen sich die Menschen angeblich wohl auch nicht, eine Weile mit einem tiefblauen Gesicht herumzulaufen, so bekannt sei das Schröpfen.