Anzeige

von Malin Schmidt

Wenn Clara Zetkin und Käte Duncker wüssten, dass Mädchen und Frauen heute immer noch weniger Rechte als ihre männlichen Mitmenschen haben, geringeren Lohn verdienen und in vielen Bereichen der gesellschaftlichen Mitbestimmung unterrepräsentiert sind, dann würden sich die beiden Frauenrechtlerinnen vermutlich im Grab umdrehen.

Von der Kaiserzeit bis zur Frauenquote

Über 100 Jahre nach ihrem Kampf für das Wahlrecht der Frau und die Einführung des Frauentages in Europa steht es um die Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland nicht besonders gut. Aktuell wird über eine gesetzliche Frauenquote diskutiert, die Frauen endlich vermehrt in Führungspositionen in der Wirtschaft und der Politik heben soll. Bisher haben es Unternehmen, Gremien und Parteien scheinbar nicht für nötig gehalten, qualifizierte Fachfrauen zu werben, einzustellen oder auszubilden. So hatten etwa 80 Prozent aller deutschen Unternehmen 2020 keine einzige Frau im Vorstand. Dabei sind Frauen heutzutage besser qualifiziert als je zuvor: Sie sind selbstbewusst, leben selbstbestimmt und verfügen über alle Fähigkeiten, die der Arbeitsmarkt fordert.

Clara Zetkin hat zu ihren Lebzeiten viel erreicht. Die 1857 geborene Sozialistin, Feministin und Pazifistin setzte sich zur Kaiserzeit für das Recht der Frauen auf Erwerbstätigkeit und für ihre gewerkschaftliche Organisierung sowie das Frauenwahlrecht ein. Auf ihre Initiative hin fanden ab 1900 parallel zu den politischen Parteitagen auch erste Frauenkonferenzen statt, die immer wieder von der männlichen Führung unterbunden wurden. Währenddessen etablierte sich ein jährlicher „Frauen-Streik-Tag“ in den USA, der durch die Aktivistin May Wood-Simons auch nach Europa übersiedelte. In Dänemark beschlossen Clara Zetkin, ihre Kollegin Käte Duncker und andere 1910 den ersten Frauentag.

Die frühe internationale Vernetzung der Aktivistinnen war für den Verlauf der Geschichte wesentlich, denn sie erhöhte den Druck auf die gesellschaftliche Öffentlichkeit und rückte die Forderungen in das kollektive Bewusstsein. Dennoch dauerte es bis 1918, dass Deutschland das Frauenwahlrecht einführte – 70 Jahre nach der Einführung des Wahlrechtes für Männer.

Es folgten weitere Entwicklungsschritte, teils Jahrzehnte auseinander liegend – wie etwa 1958, als Frauen ihren Führerschein erstmals ohne Erlaubnis des Ehepartners machen konnten, oder 1962, als Frauen ein eigenes Konto eröffnen durften. Noch in den 1970er Jahren wurden Frauen angefeindet, verspottet und sogar im Beruf gekündigt, wenn sie Hosen trugen.

Im Gender Gap

Heute zeigt sich die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern tatsächlich größer denn je. Insbesondere mit dem Blick auf die Corona-Pandemie ist die Aufgabenlast von Frauen im vergangenen Jahr deutlich gestiegen: 76 Prozent des Personals in sozialen und pflegerischen Berufen sind weiblich. Zudem übernehmen Frauen auch im häuslichen Umfeld primär die Betreuungsarbeit, beispielsweise unbezahlte Hausarbeit, Kinderbetreuung und Homeschooling. Eine aktuelle Studie der Vereinten Nationen ermittelte, dass Frauen im Vergleich zu Männern weltweit etwa das Dreifache der unbezahlten Sorgearbeit leisten – das ist wertvolle Zeit, die Mädchen und Frauen nicht dafür nutzen können, sich weiterzubilden, bezahlter Arbeit nachzugehen oder Freizeitaktivitäten zu verfolgen. Der „Gender Pay Gap“, also die Differenz des durch­schnitt­lichen Ver­dienstes von Frauen und Männern, liegt in Deutschland aktuell bei 19 Prozent – Arbeitnehmer verdienen also fast ein Fünftel mehr als Arbeitnehmerinnen!

Laut einer statistischen Hochrechnung der Sendung Extra 3 des Norddeutschen Rundfunks braucht die Bundesrepublik noch rund 200 Jahre bis zur Gleichstellung, wenn wir im gewohnten Tempo weiter diskutieren und Forderungen nachkommen. Der Weg ist also noch lang und in diesem Fall auch nicht sprichwörtlich als „Ziel“ zu nehmen.

Unsere Buchtipps geben weiblichen Autorinnen und Figuren eine Stimme und ermutigen sowohl Frauen als auch Männer dazu, sich aktiv für die Gleichberechtigung der Geschlechter einzusetzen.


Michelle Obama: Becoming (überarbeitete Neuausgabe für junge Leser*innen)

Michelle Obama ist ein überzeugendes Vorbild für eine ganze Generation. Als erste afro-amerikanische First Lady der USA stand sie ihrem Ehemann Barack Obama während seiner Zeit als Präsident bei, wurde zu einer energischen Fürsprecherin für die Rechte von Frauen und Mädchen in der ganzen Welt und setzte sich für einen dringend notwendigen gesellschaftlichen Wandel hin zu einem gesünderen und aktiveren Leben ein. In diesem Buch erzählt sie jungen Menschen ihre Geschichte – in ihren eigenen Worten und auf ihre ganz eigene Art nimmt uns mit in ihre Welt und berichtet von all den Erfahrungen, die sie zu der starken Frau gemacht haben, die sie heute ist.


Große Reden kluger Frauen – mit einem Vorwort von Kübra Gümüşay

„Speak up!“ versammelt Auszüge aus revolutionären Reden und inspirierenden Briefen berühmter Frauen, die den Lauf der Geschichte beeinflusst haben. Starke Texte über Frauenrechte, Mut, Freiheit, Zivilcourage und Empowerment werden begleitet von Kurzporträts der Rednerinnen – von Emmeline Pankhurst und Bertha von Suttner bis Ruth Bader Ginsburg, Alexandria Ocasio-Cortez, Kamala Harris und Malala Yousafzai.
Kübra Gümüşay ist Autorin des Buches „Sprache und Sein“, Rednerin und Aktivistin. Sie schreibt und referiert unter anderem über die Themen Feminismus, Rassismus, Internet und Politik.


Unsichtbare Frauen von Caroline Criado-Perez 

Caroline Criado-Perez: Unsere Welt ist von Männern für Männer gemacht und tendiert dazu, die Hälfte der Bevölkerung zu ignorieren – und sie erklärt, wie dieses System funktioniert, indem sie die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Erhebung wissenschaftlicher Daten offenlegt. Die so entstandene Wissenslücke liegt der kontinuierlichen und systematischen Diskriminierung von Frauen zugrunde und erzeugt eine unsichtbare Verzerrung, die sich stark auf das Leben von Frauen auswirkt. Kraftvoll und provokant plädiert Criado-Perez für einen Wandel dieses Systems und lässt uns die Welt mit neuen Augen sehen.


Mädchen, Frau etc. von Bernardine Evaristo

Bernardine Evaristo webt die Geschichten schwarzer Frauen über ein Jahrhundert zu einem einzigartigen und vielstimmigen Panorama unserer Zeit zusammen und hat damit einen beeindruckenden Roman über Herkunft und Identität geschaffen, der daran erinnert, was uns zusammenhält.

»Ein beeindruckender, leidenschaftlicher Roman über das Leben schwarzer britischer Familien, ihre Kämpfe, Schmerzen, ihr Lachen, ihre Sehnsüchte und Lieben.« Jury des Booker-Preises


Power Women von Kay Woodwards

„Power Women – Geniale Ideen mutiger Frauen“ präsentiert 25 berühmte und auch weniger bekannte Frauen: Das Buch beginnt mit dem Leben von Kleopatra, die um 69 v. Chr. geboren wurde, und endet mit Malala Yousafzai, die am 12. Juli 1997 geboren wurde. Jedes Frauenporträt beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung, einem Steckbrief, einer ausführlichen Lebensgeschichte, einem interessanten Zitat und endet mit der Frage, wie die jeweilige Frau in einer bestimmten Situation heutzutage handeln würde. Ein tolles Wissensbuch für junge Mädchen und Jungen!

Vorheriger ArtikelLaufen gegen rechte Gewalt
Nächster ArtikelKinder des Frühlings