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Ihre Solo-Reise startete vor über vier Jahren mit nur 400 Euro in der Tasche auf einer alten Suzuki Bandit. Mittlerweile verfolgen mehr als 500.000 Menschen die Abenteuer von Ann-Kathrin Bendixen alias @affe_auf_bike auf Social Media. Im Interview erzählt die 25-Jährige aus Timmersiek bei Flensburg, wie sie den Mut fand, ihren eigenen Weg zu gehen, über prägende Momente, Ängste und warum Vertrauen ihre vielleicht kostbarste Reiseerfahrung ist.

Von Maya Schukies

Lebensart im Norden: Als du 19 Jahre alt warst, wurde eine Nasennebenhöhlenentzündung zu spät erkannt und eine Mukozele hatte eine Notoperation zur Folge. Wie hat diese Erfahrung deine Sicht auf das Leben verändert?

Ich kann mich an eine Situation erinnern, als der Pfleger damals ins Zimmer kam und meinte: „Ey, du kannst dich unfassbar glücklich schätzen, dass du das Ganze hier überlebt hast.“ Und das war für mich dieser Knackpunkt, den, glaube ich, nur ein paar Menschen im Leben erleben dürfen. Der Punkt, an dem man merkt: Oh krass, ich lebe oft für andere Menschen oder mache Sachen, die Lehrer, Eltern glücklich machen. Ich habe gemerkt, wie viele Dinge mich im Leben unglücklich machen. Und wie unnötig es ist, immer nur nach der Nase der anderen zu tanzen. Dann bin ich losgezogen. Was ich zu Beginn der Reise gelernt habe, ist, wie wichtig mir Freiheit ist und wie wichtig es mir ist, mit Menschen zu sein. Verschiedenen Menschen, verschiedenen Kulturen, Religionen, die Welt besser zu verstehen. Es gibt doch dieses Sprichwort: Vertraue niemandem. Ich habe gelernt, wie schön es ist, fremden Menschen zu vertrauen. Klar, fällst du damit mal auf die Schnauze. Aber ohne diese Naivität und ohne dieses Vertrauen in Menschen hätte ich all das nicht erleben können.

Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen: Ann-Kathrin Bendixen auf einem Gletscher in Alaska
Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen: Ann-Kathrin Bendixen auf einem Gletscher in Alaska 

Wenn man ans Herumreisen denkt, kommt vielen zunächst das klassische Vanlife in den Kopf. Warum hast du dich für das Motorrad entschieden? 

Für mich war das eigentlich ein finanzieller Grund. Für ein Auto wirst du normalerweise viel Geld los. Ein Motorradführerschein, ein Motorrad und die Versicherung sind viel günstiger. Motorräder waren für mich keine heftige Leidenschaft. Aber es ist zur Leidenschaft geworden, als ich die ersten Erlebnisse mit dem Motorrad gemacht habe. Jetzt ist das Motorrad nicht mehr wegzudenken. Klar, ich habe mittlerweile auch ein bisschen dieses typische Vanlife in meinem Leben. Aber das kannst du nicht mit dem Abenteuerleben auf dem Motorrad vergleichen. Ich liebe das. Du triffst so viele Menschen. An jeder Tankstelle fragt dich irgendwer: „Wo kommst du her? Deutschland? Wie bist du hierhergekommen?“ Du kommst in Kontakt. Diese Abenteuerreisen sind nicht zu übertreffen.

Wie hast du es geschafft, während deiner Solo-Reise mit dem Bike deine Ressourcen zu managen und unterwegs für ausreichend Sprit, Verpflegung und andere Notwendigkeiten zu sorgen?

Gerade zu Beginn war es schon schwer und auch heute noch, wenn ich in abgelegenen Regionen bin, wie zum Beispiel in Afrika. Da war ich mal mit einer XC 550er unterwegs und der Sprit hat nicht gereicht. Ich war mitten in der Wüste bei 45 Grad mit meiner Lederkombi und hatte kein Wasser. Wenn du da zu lange bist, stirbst du einfach weg. Ich hatte Glück, weil auf einmal ein Jeep über die Dünen gefahren ist und mir Wasser und Sprit geben konnte. In solchen Situationen habe ich oft großes Glück gehabt. Ich glaube, dass jeder, der so reisen geht wie ich, früher oder später mal in so einer Situation sein wird. 

Bendixen und Gabriel Kelly in Vietnam: Beide freundeten sich 2024 in der RTL-Show „Let’s Dance“ an und bereisten das Land gemeinsam. 

Verspürst du in so einer Situation Angst?

Natürlich habe ich Angst und denke mir: „Was mache ich jetzt?“ Aber trotzdem habe ich gelernt, über die Zeit mit solchen Erfahrungen besser umzugehen und Ruhe zu bewahren. Auf Reisen habe ich auch schlimme Sachen erlebt, aber genau das hätte zu Hause auch passieren können. Ich würde mich jederzeit wieder dazu entscheiden, reisen zu gehen. Weil auch einfach so viel Gutes auf einer Reise passiert. Das ist enorm. Das hat mich richtig geprägt und glücklicher gemacht, weil ich auch sehe, wie viel Gutes auf der Welt da draußen passiert. 

Welche Maßnahmen ergreifst du, um deine Sicherheit auf Reisen zu gewährleisten, besonders in abgelegenen Gebieten?

Ich habe immer diese Regel, dass ich meinen Pass und meinen Geldbeutel mit einer Schaufel vergrabe, wenn ich irgendwo zelte. Ich achte immer darauf, dass ich 20, 30 Euro bei mir habe, die theoretisch geklaut werden können. Das ist ein großer Sicherheitsfaktor. Und ich habe immer zwei Handys – eins, das geklaut werden kann, und eins, was verbuddelt wird. Und ich habe immer ein Messer dabei. Das musste ich noch nie zum Einsatz bringen und das will ich natürlich auch nicht, aber ich glaube, dass ein Messer das ist, womit ich mich am sichersten fühle. 

Im Juni 2023 durchquerte Ann-Kathrin Bendixen die Westsahara, hier zu sehen mit Dromedar „Harley“. 

Alleine reisen, insbesondere als Frau, kann Gefahren mit sich bringen. Was sind die größten Herausforderungen, denen du in diesem Zusammenhang begegnest? 

Ich hab einzelne, sehr prägende Erfahrungen gemacht. Die können dir aber überall passieren. Ich glaube, man muss lernen, auf sein Herz zu hören. Die schlimmsten Erlebnisse hatte ich in den ersten drei Monaten meiner Reise, um das mal so zu formulieren. Danach habe ich nie wieder irgendwas Schlimmes erlebt. Das liegt an den Erfahrungen, die man gemacht hat. Du liest den Menschen dann zweimal und stellst noch eine Frage mehr, bevor du jemandem vertraust. Ich habe eine emotionale Intelligenz entwickelt, denn ich  habe das Gefühl, Menschen ganz schnell zu verstehen und zu lesen. Und das passiert wahrscheinlich einfach, wenn du ganz vielen Menschen begegnest.

Gibt es eine Begegnung mit einem Menschen auf deinen Reisen, die dich besonders berührt hat?

Ja, viel, viel mehr als negative. Zum Beispiel in Chile. Dort wurde ich von einem tollwütigen Hund gebissen. Dann habe ich eine Familie kennengelernt, die mich direkt aufgenommen hat, mit mir ins Krankenhaus ist, weil du innerhalb von einer halben Stunde eine Tollwutspritze brauchst – sonst kannst du sterben. Die Familie sagte: „Du kommst jetzt mit zu uns nach Hause.“ Und dann bin ich die nächsten Tage mit deren beiden Söhnen unterwegs gewesen. Wir sind zu einem Wasserfall gefahren. Ich bin dann in den Wasserfall gefallen, mit meinem Portemonnaie, meinem Handy, und habe alles verloren. Die Oma hat mir ihre Kreditkarte mit ihrem Code gegeben und gesagt: „Kauf dir ein neues Handy, ich vertraue dir, dass du mir das Geld zurücküberweist.“ So ein Vertrauen und so tolle, gute Menschenseelen, die ich kennengelernt habe. 

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Flauschiger Reisebuddy an Bendixens Seite: Auf Van-Reisen mit ihrem Freund  begleitet die beiden Findelkatze „Bubu“.  

Wie hat sich dein Verständnis von Heimat verändert, seit du so viel Zeit auf Reisen verbringst?

Es ist anders. Für mich sind es Personen und Gefühle. Dieses Gefühl habe ich, wenn ich bei der Katze und bei meinem Freund bin. Dann fühle ich mich wohl – egal, wo das ist. Oder wenn ich mit meinem Motorrad auf der Welt unterwegs bin und an der Landstraße entlangfahre, dann denke ich auch: „Geil, das ist mein Zuhause!“ Dieses Freiheitsgefühl bringt mich nach Hause. 

Kannst du dir überhaupt noch vorstellen, irgendwann „sesshaft“ zu werden? 

Wir haben einen Kompromiss gefunden. Wir sind jetzt tatsächlich gerade mit dem Camper in Norwegen unterwegs und suchen nach einer kleinen, süßen, roten Holzhütte. Ich will immer, dass die rot ist und dass da ein Kanu vorsteht, mit dem man losfahren kann. Wir wollen Camper ausbauen, an Motorrädern herumschrauben. Damit ist sozusagen ein gewisses Ankommen da, aber auch mehr für meinen Freund. Er hat dort dann eine Base und ich kann immer wieder dahin zurückkommen. Ich würde trotzdem immer ein halbes Jahr reisen. So kann ich mir das vorstellen, auch für die nächsten Jahre. 

 2023 rockte Ann-Kathrin mit Teamkollegin Hannah Assil die beliebte Survival-Show „7 vs. Wild“ auf Vancouver Island. 

Gibt es ein Abenteuer, das du dir unbedingt noch erfüllen möchtest?

Das letzte Abenteuer, das auf meiner Bucketlist stand, war eine Atlantik-Überquerung. Das durfte ich jetzt erleben. Ich habe natürlich trotzdem kleine Ziele und Träume. Zum Beispiel geht es bald mit dem Motorrad nach Australien. Natürlich wird der Fokus auf Social Media immer das Reisen sein, aber hintenrum will ich Gutes schaffen. Ich bin sehr dankbar, dass ich fast alles, was ich in meinem Leben machen wollte, schon machen konnte. Jetzt plane ich ein Projekt in Deutschland, um Kindern zu helfen. Ein Camp, in dem ich mit den Kindern Baumhäuser baue, Lagerfeuer mache und wir generell viele Projekte draußen machen. Das alles mit Kindern, die gerade vielleicht nicht das Geld haben, sich sowas leisten zu können. Mein Ziel ist, etwas zu schaffen, das alle glücklich macht. 


Fotos: Ann-Kathrin Bendixen

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