In der Welt des Apnoetauchens, wo die Grenzen zwischen Extremsport und meditativer Praxis verschwimmen, sticht ein Name heraus: Tolga Taskin. Der erfolgreiche Extremsportler aus Hamburg beeindruckt nicht nur mit seinen faszinierenden Rekorden, sondern auch mit seiner ansteckenden Begeisterung für die Welt unter Wasser.

von Natalie Zahnow

Recherchiert man zu Tolga Taskin, findet man zuallererst spektakuläre Fotos – und dann zahlreiche Berichte über seine sportlichen Erfolge. Weltweit machte der 34-Jährige spätestens im Jahr 2020 von sich reden, als er im frostigen Februar etwas schaffte, das bis dahin noch keinem anderen Menschen gelungen war: Ohne technisches Gerät, ohne zusätzlichen Sauerstoff tauchte der Freediver im Kärntner Weissensee 74,8 Meter in die Tiefe – mit nur einem einzigen Atemzug. 2 Minuten und 43 Sekunden hielt er die Luft an, um in dem ein Grad kalten Wasser des Sees, der zu dieser Jahreszeit unter einer dicken Eisdecke lag, an sein Ziel zu gelangen – und sicherte sich damit einen Eintrag ins Guinness-Buch der Weltrekorde.

In seinem Element

Eine schöne Anekdote, die häufig erzählt wird, wenn es um Tolga Taskins sportliche Anfänge geht, sind die Urlaube bei seinem Großvater in der Türkei. Der war leidenschaftlicher Speerfischer, jagte also nur mit einer kleinen Harpune bewaffnet tauchend nach Fischen – gern auch mal mit seinem Enkel auf dem Rücken. Doch wurde der Grundstein für Tolgas Leidenschaft viel früher schon durch seine Mutter gelegt. Seit dem jüngsten Babyalter ging sie mit ihm ins Wasser: „Alle anderen gehen mit dem Kinderwagen spazieren, meine Mutter war mit mir bei jeder Gelegenheit im Schwimmbad oder in der Badewanne“, erzählt der Hamburger lachend. „Ich weiß nicht, ob es nur daran liegt, aber ich assoziiere mit Wasser eine unglaubliche Geborgenheit.“

Pure Neugier

Aufgewachsen ist er in der Nähe eines Sees, auch da hielt ihn nichts an Land. Wann immer möglich, spielte und tobte er durchs kühle Nass, baute sich mit Freunden eigene Schnorchel und entdeckte so spielerisch die Unterwasserwelt. „Meine Neugierde hat mich immer weiter unter Wasser getrieben“, erinnert sich Taskin an seine Kindheit. Je älter er wurde, desto interessanter wurde für ihn jenes Speerfischen, das er von seinem Großvater kannte. Er begann zu recherchieren und zu üben, wie er länger unter Wasser bleiben konnte, bevor es in den Urlaub zu Opa in die Türkei ging. „Als ich 14 oder 15 war, habe ich das erste Mal vom Apnoetauchen gehört, da fing meine Leidenschaft für diesen Sport an.“

Sicherheit schaffen

Über die Jahre ist das Tauchen für Taskin zu weit mehr als einem Sport geworden. „Viele denken, wir halten einfach nur die Luft an und tauchen runter. Aber es steckt so viel mehr dahinter“, betont er. Die Fähigkeit, die physiologischen und psychologischen Herausforderungen während des Tauchgangs zu meistern, machen das Apnoetauchen so besonders. Und dafür braucht es einiges an Wissen, das er seit vielen Jahren als Freediving Instructor in den Kursen seiner Tauchschule teilt. Die Frage, ob es zu Kursbeginn gleich ins Wasser gehe, verneint er direkt, denn das Wichtigste sei, zuallererst zu verstehen, was in unserem Körper eigentlich passiert, wenn wir die Luft anhalten. „In dem Moment, in dem ich das Ganze deuten kann, also die Symptomatiken, die ich verspüre, einordnen kann, habe ich gleich einen viel bewussteren Umgang damit und fühle mich sicherer“, erklärt der erfahrene Tauchlehrer. Dazu gehört neben Grundlagen wie dem richtigen Flossenschlag, der Abtauchtechnik und dem korrekten Druckausgleich dann auch ausgiebiges Training in Sachen Atmung und Entspannung.

Apnoetauchen erfordert vor allem mentale Stärke und absolute Konzentration.

Ein Sport für alle

Die meisten, die das Apnoetauchen nicht näher kennen, ordnen es wahrscheinlich eher als außergewöhnlichen Extremsport ein, wie ihn Athlet*innen wie Tolga Taskin tatsächlich auch leben. Er beschreibt seine Faszination für diese Disziplin jedoch so enthusiastisch und begeisternd, dass selbst eine eher unsportliche Gelegenheitsschwimmerin direkt starten möchte. Aber geht das so einfach? „Es gibt keine besonderen Voraussetzungen, unser Publikum ist sehr durchmischt“, sagt der Freediver. Nur zu jung sollte man nicht sein: „Wir haben häufig Anfragen von Eltern für ihre Kinder, aber die Erfahrung zeigt, dass sie eher einen spielerischen Ansatz brauchen, beim Apnoetauchen haben wir aber ja mentale Faktoren und Atem- und Entspannungstechniken im Fokus.“ 16 Jahre empfiehlt er als frühestes Einstiegsalter, nach oben hin gibt es keine Grenzen: „Tatsächlich hat man im Alter physiologisch sogar einige Vorteile, da der Kreislauf tendenziell ruhiger wird.“ Dadurch falle es leichter, konzentriert und ruhig zu sein – eine wichtige Grundlage, um sich möglichst lang ohne Luft unter Wasser wohlzufühlen, denn „am Ende des Tages gewinnt der Entspannteste.“

Liebe für die Welt unter Wasser

Brennend interessiert natürlich die Frage, wo ein Tauchprofi wie er am liebsten unter Wasser geht. Das Rote Meer in Ägypten sei wunderschön, aber vor allem nach Norwegen an den Atlantik reise er gern, um zu tauchen: „Ich mag diese raue, wilde See, die Berge drumherum, ich mag die Strömung und die Wellen, ich mag dieses Ungebändigte.“ Ein anderes seiner liebsten Tauchziele liegt hingegen deutlich näher: der Kreidesee im niedersächsischen Hemmor. Dank einer Tiefe von rund 60 Metern und einer Sichtweite von bis zu 30 Metern gilt der Baggersee mit seinem glasklaren Wasser als eines der besten Tauchgewässer Deutschlands. „Mit den Fortgeschritten-Kursen gehe ich ins Freiwasser, oft hier am Kreidesee. Er ist nicht nur ein wunderschöner Ort mitten in der Natur, sondern hat auch unter Wasser so viel zu bieten“, erzählt Taskin begeistert. Reste vom Tagebau der ehemaligen Kreidefabrik, aber auch spezielle Attraktionen für die Tauchenden wie Auto- und Schiffswracks warten dort darauf, entdeckt zu werden. Aber egal, wo getaucht wird, eines ist sicher: „Am Ende sind alle immer erstaunt, wie entspannt und schön das Apnoetauchen ist, was für eine Leichtigkeit damit einhergeht und dass es eben nicht bedeutet, dass man irgendeine Art von Angst erleben muss – sondern nur absolute Ruhe und Entspannung.“

Ab in die Tiefe: Tolga Taskin und sein Team bieten deutschlandweit an vielen Standorten Kurse im Apnoetauchen an. Weitere Informationen gibt es auf www.apnea-college.de. Mehr zu Tolgas persönlichen Erfolgen erfahren Sie auf Instagram unter @tolgafreediver.

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