Eine Verslegende

Thekla hat das Winterschwimmen von „Paula, die Künstlerfreundin, / die Wohnungen anderer hütete, / Hauskatzen Fremder versorgte, / die Topfpflanzen Reisender goss,“ die „… nicht direkt obdachlos, / aber schon lange ohne den eigenen / festen Wohnsitz, der der Persona / Solidität versprach, Geltung.“ war. Die hatte es wiederum von ihrer „Großmutter Chris, der Kanalschwimmerin.“ So macht Thekla nicht nur eine außergewöhnliche körperliche Erfahrung, sondern sieht auch die Natur aus einem neuen Blickwinkel. Und diesen beschreibt Marion Poschmann in faszinierender Weise mit poetischen Worten. Da werden Bäume oder das innere Feuer ebenso zum Thema wie ein Tiger, der ausbricht und Thekla begegnet. Und auch der Gegensatz zwischen unserem zivilisierten Leben und der Naturwildheit wird bei Poschmann ebenso sichtbar wie das Erlebnis der Natur von ihr gefeiert wird. Es entsteht bei der Lektüre eine zauberhafte Atmosphäre um die Leser*innen, die sogleich den Wunsch weckt, es ebenfalls mit dem Winterschwimmen auszuprobieren – oder eben einfach in Wald und Flur zu gehen, um sich selbst als Teil der natürlichen Welt zu spüren. (hb)

Buchtipp

Die Winterschwimmerin

Marion Poschmann

In ihrem neuesten Lyrikbuch nimmt uns die mehrfach preisgekrönte Autorin und begnadete Sprachvirtuosin Marion Poschmann mit auf eine Reise in die Natur, die sie uns wundervoll vor Augen führt.

Suhrkamp Verlag, 79 S., 22 Euro
Vorheriger ArtikelLiebesleid