Mir wurde einmal erzählt, dass Laufen das Leben verändert. Nie hätte ich aber für möglich gehalten, dass das irgendwann für mich gelten könnte. Das Laufen hatte es mir bis zu diesem Zeitpunkt immer schwer gemacht. Bei den zahlreichen Versuchen, mit meiner sportlichen Mutter bei ihrer täglichen 8-km-Runde Schritt zu halten, bin ich des Öfteren gescheitert. Und mit jedem Kilometer, den meine alten Schulsportschuhe damals mit mir liefen, sank die Motivation.

Wo ein Wille ist…

Vielleicht lag es immer daran, dass ich mich zu Beginn der Laufrunden überschätzte und zu schnell loslief, um dann – nur wenige Minuten in Bewegung – kläglich an Seitenstichen und schwerer Atmung zu verzweifeln. Vielleicht lag es auch daran, dass ich es nicht wirklich wollte und dass der berühmte „Schweinehund“ immer zu groß war. Die Faszination am Laufen aber blieb jahrelang ungebrochen. Vor einiger Zeit hat das Laufen dann doch mein Leben verändert. Im tiefsten Winter und bei Minusgraden packte ich damals meine alten Laufschuhe aus, wickelte mich in drei Fleecelagen und begleitete eine Laufgruppe durch Kiel. Beim Smalltalk und einem gemütlichen Tempo, das Gott sei Dank durch ein paar rote Ampelphasen unterbrochen wurde, vergingen die Kilometer ganz automatisch. Am Ende hatten meine Begleiter zehn Kilometer auf ihren Smartwatches stehen. Wie unerwartet! Ich hatte diese magische Grenze ja noch nie zuvor erreicht!

Wenn ich an diesen Abend zurückdenke, dann weiß ich, dass mein Ehrgeiz in jenem Moment geboren wurde. Fortan machte ich mich mehrmals die Woche auf den Weg, egal bei welchem Wetter oder welcher Laune. Das Laufen wurde für mich zur Priorität Nummer eins. Heute ist mein Ziel Marathon!
Das regelmäßige Training, allein oder mit Gleichgesinnten, hat neben körperlicher Fitness aber auch dazu geführt, dass ich erheblich ausgeglichener und glücklicher bin. Durch Sport verändert sich nicht nur der Körper, sondern vor allem der Geist und die Einstellung zum Leben. Wen einmal das Lauffieber packt, den packt auch der Ehrgeiz und der Wille,
weiter zu machen. Und das Schönste an dieser Lebenseinstellung ist: Der Weg dahin ist gar nicht so weit.

Laufen befreit den Kopf

Für die Knochen ist die permanente Erschütterung der Laufschritte eigentlich ungesund, die Bewegung des gesamten Körpers aber natürlich förderlich. Das Laufen setzt schließlich jeden Muskel in Bewegung und lässt alle Poren arbeiten. Die Abwehrkräfte werden durch Wind und Wetter abgehärtet und die Lunge durch frische Luft gut versorgt. Wer bei Wind und Wetter läuft, der bezwingt in gewisser Weise auch die Natur und fühlt sich bärenstark.
Abgesehen von den körperlichen Gesundheitsaspekten sorgt das Laufen aber vor allem im Bewusstsein für positive Effekte.
Besonders unter Marathonläufern fällt oft der Begriff „Runner‘s High“ – ein Hochgefühl, das während Langstreckenläufen eintritt. Befindet man sich in diesem Rauschzustand, verschwinden Grübeleien und Gedanken. Das führt dazu, dass sich der Läufer frei und unbelastet fühlt. Man geht davon aus, dass das Gehirn während des Runner‘s High so stark mit den koordinativen Aufgaben der Bewegung beschäftigt ist, dass es manche Gehirnregionen, die aktuell nicht benötigt werden, einfach auf Sparflamme setzt. So soll der präfrontale Cortex, der für kognitive Prozesse wie Denken und Problemlösen zuständig ist, quasi abgeschaltet werden. Das klingt plausibel, wissenschaftlich bewiesen ist es aber nicht.

Für mich spielen Statistiken und wissenschaftliche Analysen keine Rolle. Ich laufe, weil es mich glücklich macht – manchmal schnell, manchmal langsam. Bewahrt man sich sein eigenes Maß, dann bleibt das Laufen Leidenschaft.

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