Er kommt von einem Termin aus der Steinzeit, genauer gesagt im Steinzeitpark Dithmarschen in Albersdorf. Dort hat Dr. Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein, einen Förderbescheid über 2,3 Millionen Euro übergeben. Mit dem Geld wird ein neues Steinzeithaus gebaut, das die Anlage für Einheimische ebenso wie für Tourist*innen noch attraktiver und nachhaltiger macht. Und genau darum geht es in unserem Interview: um nachhaltige Strategien und Maßnahmen, mit denen das Land, seine Menschen und Unternehmen zukunftsfähig unterwegs sind.
Herr Dr. Buchholz, wie weit ist Schleswig-Holstein und seine Unternehmen bei der Verknüpfung von ökonomischem Handeln und nachhaltiger Entwicklung?
Wir sind auf einem guten Weg im echten Norden. Dabei betrachten viele Unternehmen Nachhaltigkeit nicht als einen zu erreichenden Zustand, sondern als eine stetige Entwicklung. Sozial und ökologisch gut unterwegs zu sein und dieses gegenüber den Kunden zu kommunizieren, hat bei Unternehmen heute einen hohen Stellenwert. Hier sind manche schon sehr weit – und andere haben noch eine gute Wegstrecke vor sich. Eines möchte ich in diesem Zusammenhang allerdings betonen: Wenn es um Nachhaltigkeit geht, darf man neben den ökologischen und sozialen Aspekten die Ökonomie nicht vergessen. Es geht auch um wirtschaftliche Nachhaltigkeit, also um profitable, zukunftsfähige Geschäftsmodelle der Unternehmen. Die Wirtschaftlichkeit ist Teil jeder nachhaltigen Strategie. Nachhaltigkeit und soziale Marktwirtschaft sind zwei Seiten einer Medaille.
Sie sind viel unterwegs im Land. Welche innovativen Unternehmen, die mit nachhaltigen Produkten Erfolg haben, haben Sie zuletzt beeindruckt?
Wir haben viele junge Start-ups, die mit frischen, neuen Ideen die Welt etwas besser machen und dabei natürlich auch Gewinne erzielen wollen. Gestern Abend war ich beispielsweise beim Lübecker Start-up Food21. Dieses junge Unternehmen hat eine Lösung mit Künstlicher Intelligenz entwickelt, mit der Vorhersagen über Produktabsätze möglich sind, Kosten und Lebensmittelverluste reduziert und darüber hinaus nachhaltiges Handeln gegenüber den Kunden nachweisbar gemacht werden können. Solche jungen Unternehmen finde ich beeindruckend!
Bei einer nachhaltigen Gestaltung unserer Welt ist nationale und internationale Zusammenarbeit gefragt. Inwieweit kann ein kleines Land wie Schleswig-Holstein hier seinen Beitrag leisten?
Wir sind zwar ein kleine Land, aber wir müssen uns selbst nicht klein machen. Über den Tellerrand zu gucken und international zusammenzuarbeiten ist ökonomisch ebenso wichtig wie ökologisch. Ein Beispiel: Schleswig-Holstein betreibt gemeinsam mit Hamburg und Bremen ein Northern Germany Innovation Office in San Francisco. Das Office bildet eine Brücke für innovationsorientierte Unternehmen zwischen Norddeutschland und dem Silicon Valley. Es hilft Betrieben dabei, interessante Technologien und innovative Lösungen zu identifizieren, schafft Zugänge zu wichtigen Netzwerken und potenziellen Kooperationspartnern und unterstützt amerikanische Unternehmen und Start-ups, die Interesse an Kooperationen mit norddeutschen Partnern oder am Standort Norddeutschland haben. Auch hier geht es immer wieder um nachhaltige Projekte. Als ich im Herbst 2019 mit einer Delegation von Unternehmen in San Francisco war, haben wir uns zum Beispiel über den amerikanischen Entwicklungsstand bei der personalisierten Ernährung informiert. Da geht es unter anderem um künstlich hergestellte Lebensmittel aus pflanzlichen Rohstoffen. Das sind nachhaltige, innovative Lösungen, die in Zukunft noch stärker weltweit nachgefragt werden. Und es sind Impulse, die auch Unternehmen aus Schleswig-Holstein aufnehmen und daraus eigene Produkte entwickeln.
Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft und Klimaretter. Gemeinsam mit den anderen Küstenländern haben Sie vor zwei Jahren die „Norddeutsche Wasserstoffstrategie“ auf den Weg gebracht. Wie weit sind Sie bei der Umsetzung bisher gekommen?
Wasserstoff wird in Zukunft sowohl eine ökologische, als auch ökonomisch bedeutende Rolle spielen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir Wasserstoff aus regenerativer Energie gewinnen und er bezahlbar ist. Es geht also darum, Wasserstoff in anderer Form industrielle herzustellen und damit eine Wasserstoffwirtschaft im Norden in Gang zu bringen. Dazu gehört eine funktionierende Infrastruktur. Unser Ziel ist hier unter anderem der Bau von 250 Wasserstoff-Tankstellen.
Die ersten drei davon sind im Betrieb, viele weitere in Planung. Gemeinsam mit den skandinavischen Ländern wollen wir so eine Wasserstoff-Trasse schaffen, die sowohl mit Wasserstoff betriebene Schwerlastfahrzeuge als auch private PKW versorgt. Mit unserer Strategie waren wir sogar schneller als der Bund am Start, der erst seit 2020 eine Wasserstoffstrategie verfolgt.
Der Ausbau und die Förderung erneuerbarer Energien – insbesondere die der Windkraft – war zuletzt ins Stocken gekommen. Mit welchen Maßnahmen steuert die Landesregierung gegen?
Der Ausbau regenerativer Energien ist tatsächlich etwas ins Stocken geraten. Das lag allerdings an juristischen Problemen, die aus den Regionalplänen und dem Landesentwicklungsplan resultierten. Allerdings gab es immer wieder Ausnahmegenehmigungen für das Errichten von Windkraftanlagen und die Regionalpläne sind mittlerweile neu verfasst. Bei diesem Thema geht es allerdings immer wieder auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung. Das eine ist, dass man ein ökologisches Bewusstsein hat und für den Ausbau erneuerbarer Energien ist – das andere, dass man auch dafür ist, wenn diese Anlagen vor der eigenen Haustür errichtet werden. Hier muss ein Ausgleich gefunden werden zwischen ökologischen und ökonomischen Aspekten sowie privaten Interessen der Bewohner in den Regionen. Das ist keine leichte Aufgabe. Deswegen bin ich dafür, dass wir den derzeitigen Deckel für den Bau von Offshore-Anlagen auf See wegbekommen. Auf den Meeren könnten wir noch deutlich mehr Energie gewinnen, um daraus beispielsweise Wasserstoff zu generieren, der mit Hilfe von Pipelines an Land gebracht wird. In Schleswig-Holstein laufen zurzeit mehrere Projekte – etwa mit dem Reallabor Westküste 100 in Heide oder AquaVentus auf Helgoland –, mit denen wir solche Innovationen befördern.
Schleswig-Holstein ist ein starkes Urlaubs-Land. Wie weit ist der echte Norden bei der Umsetzung der Tourismusstrategie 2025 und was braucht es, um insbesondere für einen nachhaltigen Tourismus gut aufgestellt zu sein?
Die Ziele der Tourismusstrategie 2025 haben wir längst erreicht. Deswegen sind wir dabei, uns neue Ziele zu setzen. Hier geht es vor allem um den Ausbau von Ganzjahres-Destinationen. Wir wollen den Touristen noch stärker attraktive Angebote auch im Herbst und Winter bieten. Dabei spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle. In diesem Zusammenhang wichtig sind beispielsweise Vereine wie Feinheimisch, der aus Produzenten und gastronomischen Mitgliedern besteht, die nachhaltigen Genuss aus der Region bieten. Und bei uns im Land gibt es schon viele Beherbergungsbetriebe, die ökologisch sehr gut aufgestellt sind. Der Gast reist zu diesen mit dem guten Gefühl an, dass man an seinem Quartier energieschonend unterwegs ist.
Apropos unterwegs: Wo steht Schleswig-Holstein auf seinem Weg der klimaneutralen Verkehrswende?
Wir sind das Land mit der geringsten Quoten von elektrifizierten Eisenbahnstrecken. Zurzeit sind es nur 29 Prozent. Bald neu hinzukommen wird die Strecke Lübeck-Puttgarden. Um nicht warten zu müssen, bis weitere Oberleitungen gespannt werden, haben wir neue Züge bestellt, die mit Akkus betrieben werden. Bereits 2022 werden wir auf den meisten Strecken im Land batterie elektrisch unterwegs sein. Diese Akkus laden sich mit Hilfe von Oberleitungsinseln neu auf. Ziel ist, bis 2030 dieselfrei zu fahren, also einen klimaneutralen Bahnverkehr zu haben. In den urbaneren Regionen wollen wir die tägliche Mobilität mit dem Fahrrad stärker vorantreiben. Das setzt voraus, dass wir die Infrastruktur in Schuss halten und zugleich die Menschen zum Umstieg vom Auto auf das Fahrrad auch bereit sind. Teil unserer Infrastrukturpolitik ist natürlich auch, dass wir unser Straßennetz instand halten und weiter ausbauen. Schließlich wünscht sich auch der Fahrer eines Elektro- oder Brennstoffzellen- Autos, dass er nicht nur ökologisch unterwegs ist, sondern auch auf guten Straßen an sein Ziel kommt.
Wie steht es um ihre eigene Mobilität?
Meine Frau und ich versuchen, so weit wie möglich nachhaltig unterwegs zu sein. Mein Dienstwagen ist ein Hybrid-Fahrzeug und auch meine Frau hat ein Auto mit Hybrid-Antrieb. Im Urlaub fahren wir gerne und viel Fahrrad.
Wie nachhaltig sind der Privatmensch Bernd Buchholz und seine Familie unterwegs?
Wir achten auf nachhaltigen Konsum. Uns ist wichtig, dass unsere Elektrogeräte möglichst wenig Energie verbrauchen. Und wir essen deutlich weniger Fleisch, als die Generation meiner Eltern. Gut zubereitetes Gemüse ist für uns ein großer Genuss. Als Liberaler ist mir in diesem Zusammenhang allerdings wichtig, nichts absolut zu setzen. Wie jemand lebt oder wofür er sich beim Konsum entscheidet, ist die Entscheidung jedes Einzelnen. Ich traue den Menschen zu, sich nachhaltig zu verhalten. Und ein solches Verhalten liegt ja ohnehin im Trend. Niemand braucht einen Staat, der als Oberlehrer auftritt und jedem vorschreibt, was man zu essen oder wie er zu leben hat.
Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch.