Vom Stall in die Redaktion – mit Ende 40 verwirklichte sich Barbara Kock-Rohwer noch einmal in ihrem Traumberuf. Mit Leidenschaft und Kreativität ebnete sie dabei den Weg für ein Magazin, das bis heute Kinder und Eltern in ganz Schleswig-Holstein erfreut – inklusive der Enkelkinder der Ideengeberin.

von Natalie Zahnow

„Hast du schon einmal darüber nachgedacht, ein Buch zu schreiben?“, frage ich, kurz bevor wir uns verabschieden. Denn was Barbara Kock-Rohwer mir während unseres Interviews aus ihrem Leben erzählt, hat alles, was eine fesselnde Geschichte ausmacht. Ich bin ehrlich fasziniert und beginne sofort, darüber nachzudenken, wie ich all das gut in einen Artikel gieße. Aber fangen wir ganz vorn an: Grund für unser Treffen ist der Auftrag, über das 25. Jubiläum unseres Familienmagazins „Tipps für Kids“ zu schreiben. Und wen befragt man dazu idealerweise? Genau: die Person, die vor einem Vierteljahrhundert die Idee dazu hatte.

Fragen über Fragen

Die Eckdaten, die mir Jörg „Stoeck“ Stoeckicht, heute wie damals der geschäftsführende Kopf des Verlags hinter „Tipps für Kids“, vor unserem Gesprächstermin über die damalige Initiatorin und längjährige Redakteurin Barbara Kock-Rohwer mitgibt, verheißen Spannendes: „Karate-Schule, Bauernhof, Umschulung“ steht auf meinem Spickzettel. Um diese Begriffe logisch verknüpfen zu können, brauche ich Kontext. Noch ein wenig Überredungskunst ist nötig, damit das frühere Redaktionsmitglied einwilligt, sich von mir interviewen zu lassen – so groß sehe sie ihre Rolle selbst nicht –, aber ich muss unbedingt mehr wissen!

Zu unserer Verabredung betritt eine aufgeschlossene, fröhliche Dame den Raum. Dass wir uns dutzen, ist irgendwie gleich klar. Ich weiß bereits, dass Barbara den Beruf der Redakteurin relativ spät ergriff. „Ich habe in Karlsruhe und Heidelberg mal Kunst und Deutsch fürs Lehramt studiert, das war so meine Grundlage“, beginnt die heute 71-Jährige von ihrem beruflichen Weg zu erzählen. „Danach war ich eine ganze Weile Sportlehrerin. Und dann war ich die Gutssekretärin des Grafen von Berlepsch.“ Perplex hake ich ein: „Wie wird man denn Gutssekretärin?“

Schicksalswege

Nach ihrem Studium entschied sich die gebürtige Mannheimerin, beruflich ihrer sportlichen Leidenschaft nachzugehen, und gründete gemeinsam mit ihrem ersten Mann eine Karateschule in Karlsruhe. Über viele Jahre unterrichtete die junge Frau dort Kinder und Jugendliche in der japanischen Kampfkunst, machte Verbandsarbeit, führte als Prüferin Wettkämpfe durch. Eine Depandance in Göttingen folgte. Doch sowohl als Paar als auch als Unternehmer trennten sich die beiden nach einigen Jahren.

Mit ihrer Tochter zog Barbara in eine WG auf dem Land. Dort lernte sie Graf Sittich von Berlepsch kennen, einen weltoffenen Freigeist, auf dessen Anwesen in der Nähe der hessischen Kleinstadt Witzenhausen sich damals ein Ashram befand. Für die Buddhistin Barbara ein heilsamer Ort, an dem sie auch Arbeit fand: „Graf Berlepsch brauchte Unterstützung – und so wurde ich die Gutssekretärin.“

Der Liebe wegen in den Norden

Ganz in der Nähe studierte damals der Schleswig-Holsteiner Dirk Kock-Rohwer. In Witzenhausen hatte die Universität Kassel damals den ersten Lehrstuhl für biologischen Landbau gegründet, wegbereitend für den fortschrittlichen, jungen Landwirt. Barbara und Dirk lernten sich hier kennen, wurden ein Paar und gründeten eine Familie. Nach Ende des Studiums zogen die Kock-Rohwers mit den drei Kindern Anfang der 90er Jahre gemeinsam auf den Hölln-Hof in Bönebüttel in der Nähe von Neumünster.

Seit 1594 ist der große Bauernhof im Familienbesitz der Kock-Rohwers, mit der Übernahme des elterlichen Betriebs führte das Paar diese Tradition fort und stellte dabei sogar komplett auf ökologische Landwirtschaft um. „Über einige Jahre habe ich diesen ganzen Hof mit angeschoben und so ein richtiges Bäuerinnenleben geführt“, erzählt Barbara von ihrem Leben als Landwirtin. Doch erfüllte sie die meist sehr praktische Arbeit nicht gänzlich: „Ich wollte so gerne wieder mit Texten und Bildern, mit dem, was ich ganz früher mal gelernt hatte, arbeiten.“

Eine Leidenschaft (wieder-)entdeckt

In Hamburg fand Barbara eine spannende Fortbildungsmöglichkeit: „1998 begann ich eine einjährige Kompaktausbildung zur Marketing- und Redaktionsassistentin. Konzipiert wurde die damals, um Geisteswissenschaftler fit zu machen für die Arbeit in Buch- und Magazinverlagen.“ Ein echter Glücksgriff für die damals 46-Jährige: „Das habe ich mit einer Begeisterung gemacht, das kannst du dir nicht vorstellen!“

Endlich kam sie dem langgehegten Traum näher, in einem Verlag zu arbeiten. Doch es gab auch kritische Stimmen: „Einige hatten gesagt: Du sitzt hier auf der Scholle, du kannst doch nicht in Hamburg arbeiten auf Dauer. Und auf dem platten Land als Redakteurin, das geht doch gar nicht!“ Zum Ende der Ausbildung stand ein Praktikum an, dafür bewarb sie sich bei einem großen Verlag in Neumünster. „Da habe ich mich vorgestellt, sprudelnd vor Ideen, was ich mir alles vorstellen könnte, dort zu machen.“ Doch wirkte ihre Euphorie auf ihr Gegenüber nicht sehr ansteckend: „Hier müsste mal das Archiv aufgeräumt werden, sagte er dann. Da dachte ich mir nur: Nee, mit Ende 40 werde ich hier jetzt sicher nicht die Werkstatt fegen.“

Die Suche nach einem Praktikumsplatz in Neumünster ging also weiter. Dabei weckte vor allem ein Medium ihr Interesse: ein kleines, buntes Heftchen, das an vielen Stellen in der Stadt auslag. „Ich habe schon immer gerne das After Dark gelesen. Vor allem die Vorwörter von diesem verrückten Typen, der das rausgegeben hat. Die waren so frech, das hat mir gefallen!“ Sie beschloss, bei dem Stadtmagazin vorstellig zu werden, und besuchte die Redaktion. „Ich weiß noch genau, sie ,residierten‘ damals in einem kleinen Büro im Hinterhaus. Und da waren die beiden, Susan Kreienbrink und Jörg Stoeckicht, und haben das After Dark gemacht.“ Von Redaktion über Anzeigenverkauf schulterten die beiden in bester Start-up-Manier damals alles allein. Stoeckicht überlegte also nicht lang, als Barbara Kock-Rohwer nach einem Praktikumsplatz fragte.

Moderne Technik

„Ja, und dann saß ich auch schon da und bekam meinen ersten Textauftrag“, erinnert sich Barbara. Engagiert griff sie zu Stift und Zettel und begann zu schreiben, wurde aber je unterbrochen: „Sag mal, was machst du denn da?“ Der Praktikantin eröffnete sich eine völlig neue Welt in Sachen Technik, als Chef Stoeck ihr die Arbeit am Apple-Rechner zeigte. „Da musste ich mich echt dran gewöhnen. Wir arbeiteten damals mit Quark Xpress. Ein Jahr zuvor hätte ich noch gedacht, dass das ein Rezept für einen schnellen Käsekuchen ist“, erzählt sie lachend. Die sechs Wochen Praktikum vergingen wie im Flug, die Ausbildung war fast zu Ende. Noch bevor sie ihr Abschlusszeugnis in den Händen hielt, klingelte schon das Telefon mit einem Hilferuf aus der Redaktion: „Du Barbara, kannst du vielleicht mal ein paar Stunden aushelfen?“

Und so übernahm die frisch gebackene Redaktionsassistentin vereinzelt Aufträge, um die zweiköpfige Redaktion ab und an zu unterstützen. Für eine eigene Stelle reichte es jedoch nicht. „Also so kriege ich hier keinen richtigen Arbeitsplatz, dachte ich, da muss was anderes her.“ Sie erinnerte sich daran, von einem neuen Magazin aus Berlin für junge Familien gehört zu haben. Auch in Neumünster eine echte Marktlücke, wie die Mutter dreier Kinder aus eigener Erfahrung wusste. Sie schrieb ein Konzept und legte es Stoeck vor: „Meinst du, wir könnten das mal ausprobieren?“

Wie Topf auf Deckel: Barbara Kock-Rohwer und Anne-Kristin Bergan verantworteten lange Zeit als redaktionelle Doppelspitze Lebensart und „Tipps für Kids“

„Tipps für Kids“ wird geboren

„Uns musste man nicht lang überzeugen, denn wir hatten alle kleine Kinder“, erinnert sich Stoeck. Ausflugsziele musste man sich mühsam raussuchen, von besonderen Veranstaltungen oder Angeboten erfuhr man nur zufällig, das Internet als Infoquelle steckte noch in den Kinderschuhen.

Aus Barbaras Konzept schnürte das kleine Team dann eine sogenannte Nullnummer, um potenziellen Werbepartnern ihre Idee präsentieren zu können. Und das Feedback war toll! „Es war nicht nur für uns Eltern eine Herausforderung, Infos zu bekommen, auch die Unternehmen hatten noch wenig Möglichkeit, ihr Angebot zu verbreiten“, erklärt Stoeck den Erfolg.

Das Heftkonzept von „Tipps für Kids“ etablierte sich sogar überregional im ganzen Bundesland. Ausflugsziele wie Tierparks und Vergnügungsparks, Spielzeugläden, Musikschulen und viele andere Unternehmen aus ganz Schleswig-Holstein, die Familien mit Kindern zur Zielgruppe hatten, wurden vorgestellt. Auch den Themen Bildung und Förderung widmete sich die Redaktion und stellte spannende regionale Initiativen vor. Tipps für schöne Geburtstagsfeiern waren genauso dabei wie Bastelideen und Kinderbuchvorstellungen. Mit seinem handlichen Format und diesem spannenden Themen-Mix wurde „Tipps für Kids“ zum bis heute so beliebten Familienmagazin zum Mitnehmen und Entdecken.

Das Dream-Team

Mit dem Erfolg von „Tipps für Kids“ wuchs auch das Team. Barbara holte sich eine Bekannte ins Boot, die sie bei „Tipps für Kids“ aushilfsweise unterstützte. Anne-Kristin Bergan arbeitete zu dieser Zeit im Veranstaltungsbereich und war alleinerziehend mit ihrem sechsjährigen Sohn. Sie freute sich über das Zubrot, aber vor allem die Zusammenarbeit mit ihrer Kollegin war besonders. „Meinen Erfolg im Redaktionsleben habe ich vor allem Barbara zu verdanken, sie hat mir so viel gezeigt“, erzählt die heutige Lebensart-Mediaberaterin von ihren Anfängen. Die beiden ergänzten sich gut. „Diese Arbeit war genau meins! Was habe ich es geliebt, gemeinsam Texte so zu gestalten, dass sie gut ins Layout passten. Mit einem tollen Foto da, einem schönen Kasten hier – ja, das waren immer Anne und ich, die enthusiastisch an den Feinheiten gefeilt haben“, erinnert sich Barbara.

Ob gemeinsame Pause, abendliches Grillen oder lange Abgabe-Nächte: „Die Arbeit in der Redaktion hat sich manchmal angefühlt wie WG-Leben“, erzählt Anne-Kristin Bergan.

Dann erweiterte Grafikerin Karla Kroll noch das Team und kümmerte sich viele Jahre leidenschaftlich um die Gestaltung. Nach Barbaras Pensionierung übernahm sie sogar die Redaktion. Und selbstverständlich waren da noch die Kinder aller Redaktionsmitglieder, die Ausflugstipps auf Herz und Nieren testeten oder auch mal Model fürs Cover spielten – allseits herzliches Engagement, was das „Tipps für Kids“-Team bis heute ausmacht.

Wachstum & Entwicklung

Der Erfolg von After Dark und Tipps für Kids ebnete im Nebenbei übrigens den Weg für ein weiteres Projekt: die Lebensart im Norden. Ursprünglich als Seniorenmagazin gedacht, etablierte sich die Lebensart erfolgreich in der breiten Bevölkerung und wurde innerhalb weniger Jahre zu einem der reichweitenstärksten Regionalmagazine Schleswig-Holsteins. Und das jährt sich 2025 nun auch schon zum 20. Mal. Das jedoch ist noch eine ganz andere Geschichte …

Von zwei zu vielen: Über die Jahre wuchs der Verlag kontinuierlich. Hier sind die Redaktionsmitglieder, Layouter*innen und Mediaberater*innen des Jahres 2015 zu sehen.
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