
Kitty Grammont hat es gut getroffen. Sie ist intelligent, hat eine nicht allzu anstrengende Tätigkeit im Ministerium für Verstand und ist – abgesehen von einem Verlobten, von dem sie sich nicht entloben kann, weil dieser immer schon woanders ist, wenn sie ihm diesbezüglich schreibt, so dass alle ihre Briefe ungeöffnet zurückkommen – frei und ungebunden.
Das Ministerium für Verstand wurde nach dem großen Krieg gegründet, denn um einen erneuten Krieg zu verhindern, sollen die Menschen nun intelligenter werden. Dazu werden sie in Intelligenzkategorien einsortiert und dürfen nur Personen bestimmter anderer Kategorien ehelichen. Wer dem nicht nachkommt, muss für seine unzertifizierten Kinder horrende Abgaben zahlen, was dazu führt, dass viele Babys einfach irgendwo ausgesetzt werden. Außerdem regt sich wegen der eheeinschränkenden Gesetze Unmut gegen das Ministerium. Und auch die Verstandesschulungen erfreuen sich keiner sonderlich großen Beliebtheit.
Hier also ist Kitty Grammont tätig. Sie schätzt ihren Minister Nicholas Chester, der sehr eloquent, überzeugend und engagiert für die Sache, den Kampf gegen die Dummheit und für die Intelligenz, ist. Eigentlich haben sie nichts direkt miteinander zu tun, aber es kommt, wie es kommen muss, eines Tages führt sie die Arbeit doch zusammen. Dummerweise verlieben sie sich ineinander, dürfen aber wegen ihrer unpassenden Kategorisierungen keine Ehe eingehen. Ein Kampf Kopf gegen Herz beginnt so für sie, wie sie selbst ihn so vielen anderen Menschen auferlegt haben. (hb)

Es ist wirklich erstaunlich, dass dieser großartige Roman aus dem Erscheinungsjahr 1919 der britischen Autorin Rose Macaulay (1881-1958) erst jetzt ins Deutsche übersetzt worden ist. Gegenüber den anderen wichtigen dystopischen Romanen des 20. Jahrhunderts wie „Schöne neue Welt“ (Aldous Huxley, 1932), „1984“ (George Orwell, 1949) oder „Fahrenheit 451“ (Ray Bradbury, 1953) hat „Was nicht alles“ den schönen Vorzug, dass Rose Macaulay ihre Antiutopie mit erlesener Komik erzählt.