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Deutschland sei „das Land mit der einzigartigen Brotkultur weltweit“ befindet die Initiative „Deutsche Brotkultur“ des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. und strebt deswegen eine Aufnahme dieses offenbar weltweit vollkommen einzigartigen Backens in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes an.

Ob die Damen und Herren vom Bäckerhandwerk da etwas verwechseln? Könnte sein. Denn einerseits kann man weder dem Österreicher noch dem Schweizer noch dem Luxemburger (um die deutschsprachigen Länder mal durchzumustern) die Fähigkeit absprechen (von den anderen europäischen Nachbarn auch mal abgesehen), eine ziemliche Vielfalt in den jeweiligen Bäckereien vorzuhalten, weiterhin rennt z.B. ganz Kiel dem französischen Bäcker Tag für Tag die Bude ein (Qualität und Vielfalt? Könnte das sein). Andererseits aber prunken die Backwarenanbieter in Deutschland mit einer nominalen Vielfalt, die einem die meistens sehr freundlichen Backwarenfachverkäufer(innen) selten inhaltlich erklären können. Da gibt es Kliffkanten, Friesenkrüstchen, Fitnesslaibe und -schnitten, Eiderkrusten, Lattenkracher (nicht gelogen!!), Sportstangen, Sonnenbatzen, Rosenbrötchen, Sylter Sonne, Mehrkornknackfrische, Kretastangen, Seglerstangen, Käsekürbiskracher, Saatknackfrische – wahrscheinlich machen sich da die Marketingspezis einen immer fröhlichen Tag und fragen am Abend die Bäcker: Könntest Du morgen mal Mehrkornknackfrische backen? Und die antworten, ganz wie weiland Fritz Wepper an Horst Derrick: Mach ich, Harry!

Vielfalt, lieber Zentralverband des Bäckerhandwerks, besteht in regional und lokal unterschiedlichsten Angeboten, hergestellt von Bäckern und vor allem Bäckermeistern/innen. Das sollte man nie Marketingspezialisten überlassen. Die träumen von Namen, die sie sich ausdenken können – wir träumen von Brot. Und deswegen sind die Schlangen beim Holzofenbäcker auf dem Kieler Wochenmarkt so lang wie beim erwähnten Franzosen; noch länger sind sie z.B. in Büdelsdorf bei Bäcker D. und seiner Filiale am Rendsburger Schiffbrückenplatz. Und deswegen lasst das mal bleiben mit dem Weltkulturerbe Brot. Brot ist kein Museumsstück. Bleibt lieber in Euren Backstuben und bereitet tatsächlich gutes Brot und herrliche Brötchen zu. Das ist anstrengend, dafür muss man was können und deswegen soll das unbedingt seinen Preis haben. Doch Namen wie Roggenbrötchen, normale Brötchen, Schwarzbrot, Vollkornbrot, Graubrot, Weißbrot, Croissant, Baguette reichen völlig. Denn die verstehen wir, die Kunden, die Euch Bäcker wirklich achten und froh sind, dass es Euch (noch) gibt. Wäre doch schade, wenn Brot Kulturgut wird, aber im Laden nur noch tiefgefrorene Teiglinge (ist auch nicht gelogen, die heißen so – neues Schimpfwort: Du fieser Teigling! Kann man gut im Wahlkampfjahr brauchen!) zu finden sind, die aufgebacken wurden und dann von Marketingleuten benamst werden.

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