Ihr Date dauerte elf Monate an. In 14 verschiedenen Ländern lernte sie ihre neue Liebe kennen: die Welt. Waltraud Hable, Journalistin aus Wien, ist 37 als sie ihren geregelten Alltag hinter sich lässt und mit einem überfüllten Koffer zu einer Weltreise aufbricht – alleine. Viel zu einsam, viel zu gefährlich, viel zu verrückt? Letzteres vielleicht ein bisschen. Doch für Hable war der Trip vor allem eines: pures Glück. Lebensart-Redakteurin Nicole Groth verrät die Wienerin warum sie gerne ein Schisser ist, wie die Weltreise einen verändert und warum jede Frau da draußen ein Abenteuer erleben kann.
Ein Schisser geht auf Weltreise. Klingt paradox. Für Sie nicht auch? Nicht wirklich, weil ja jeder Angst vor etwas hat. Die Frage ist nur: Kann man seine Angst überwinden? Es gibt diesen wunderschönen Spruch: Alles, was du willst, befindet sich auf der anderen Seite der Angst. Ich kann dem 100-prozentig zustimmen – heute zumindest .
Warum haben Sie 15 Jahre für die Entscheidung gebraucht?
Ich habe mich mit Ausreden ruhiggestellt. Als der Traum vom Big Trip zum ersten Mal in mir aufkeimte, hatte ich das Gefühl, nicht genügend Geld zu haben und jobtechnisch war ich vernünftiger, als ich mit Anfang 20 hätte sein sollen. Heute weiß ich: Wäre ich erstmal ein Jahr auf Reisen gegangen, wäre die Welt davon auch nicht untergegangen, im Gegenteil.
Wie fühlten Sie sich, als Ihr Entschluss feststand?
Die Gefühlspalette reichte von euphorisch über angsterfüllt bis hin zu extrem dünnhäutig. Schwierig fand ich: Das „normale“ Leben läuft weiter, während man selbst damit beschäftigt ist, seinen Alltag aufzulösen.
Warum wollten Sie unbedingt alleine reisen?
Ich wollte nie alleine reisen. Ursprünglich sollte mein Partner mitkommen, aber mit dem Zerbrechen der Beziehung war auch der Traum von der gemeinsamen Reise futsch. Mir blieb also gar nichts anderes übrig, als alleine loszufahren. Heute kann ich sagen: Das Alleinereisen entpuppte sich als das größte Glück überhaupt.
Haben Sie sich auf das Alleinsein vorbereitet?
Nein, das kann man auch nicht, denke ich. Man muss die Situation eh nehmen, wie sie ist. Einatmen, ausatmen, wird schon werden. Ich wusste, bei Einsamkeitsattacken könnte ich auf mein Netzwerk daheim zählen, sie anrufen, mich ausheulen. Im Rückblick kann ich sagen: Ich war oft alleine, aber nie einsam, das ist ein Unterschied. Einsam ist nur, wer einsam sein will.
Endlich ging es los: Worüber haben Sie sich umsonst Sorgen gemacht?
Sorgen gemacht habe ich mir um alles im Vorfeld. Aber es findet sich für jedes Problem eine Lösung. Was ich im Vorfeld nicht bedacht habe: Freunde haben sich angekündigt, mich unterwegs zu besuchen. Vor Antritt der Reise fand ich das wunderbar. Nachher nicht mehr so. Weil Urlaub und Weltreise sich schwer vereinen lassen. Urlauber wollen in kürzester Zeit ihre Kohle auf den Kopf hauen. Als Weltreisende hingegen muss man finanztechnisch vorausschauender leben. Und Besucher wollen über Dinge, die sie in ihrem Alltag bewegen, reden. Da fühlt man sich ganz schnell zurück nach Hause katapultiert.
Gab es einen Moment, in dem Sie aufgeben wollten?
Ja, in San Francisco, meinem dritten Stopp. Ich habe tagelang nur geheult. Meine Unterkunft war schmutzig, laut und kalt, aber schon für vier Wochen vorausbezahlt. Ein Großteil meines Problems mit San Francisco war aber, dass ich zu hohe Erwartungen an die Stadt hatte. Sie konnte dem gar nicht gerecht werden. Es lag also an mir, nicht an San Francisco. Das war ein echter Aha-Moment.
Haben Sie durch die Solo-Reise das gemeinschaftliche Erleben nun satt?
Schon irgendwie. Ein, zwei Wochen fahre ich gerne mit Freunden in den Urlaub, aber für längere Trips würde ich raten, wieder alleine unterwegs zu sein – nur so lernt man Leute kennen und kann nach seinem eigenen Rhythmus leben.
Wie hat Sie der Trip ansonsten verändert?
Durch die elfmonatige Reise habe ich verinnerlicht, nicht lange nachzudenken und mich auf Dinge einzulassen – egal, was da kommt. Das Ungewisse ist mir mittlerweile näher als das Vertraute, weil ich gelernt habe: Grübeln und langes Abwägen von Eventualitäten bringt nichts.
Denken Sie, jede Frau kann auf eigene Faust losziehen?
Absolut. Frauen beweisen täglich, dass sie nicht das schwache Geschlecht sind. Und gefährlicher als bei einem Mann ist es auch nicht, wenn man sein Hirn einschaltet und nicht plötzlich Dinge tut, die man zu Hause ja auch nicht machen würde.
Haben Frauen es schwerer oder leichter, wenn sie alleine reisen?
Es gibt da meiner Erfahrung nach keine geschlechtsspezifischen Hürden. Das einzige, was soloreisende Frauen sich wahrscheinlich des Öfteren anhören müssen, ist die Frage nach dem Warum. Einen alleinreisenden Mann sieht man als Abenteurer, bei einer alleinreisenden Frau vermutet man gerne ein Problem. Frauen wird oft geraten, in konservativ geprägten Reiseländern einen Ehering zu tragen. Denn in manchen Kulturen macht man sich tatsächlich Sorgen, wenn man in meinem Alter noch nicht verheiratet ist.
Nennen Sie typische Fehler, die man vermeiden sollte!
Der größte Fehler ist, nicht zu fahren. Weitere Fehler: 1. Obsessive Planung (sie verdirbt die Spontanität und den Spaß) 2. Zuviel Besuch von zu Hause (der stresst). 3. Zu viel Gepäck (jedes dritte Packstück reicht auch).
Sind Sie noch immer ein Schisser?
In gewisser Weise schon, eine komplette Persönlichkeitstransformation ist schließlich nicht passiert – und das ist schon gut so. Ängste sind bekanntlich da, um überwunden zu werden. Insofern bin ich gerne Schisser.