In der Nacht zum 23. November 1992 veränderte sich die Sicht auf die beschauliche „Eulenspiegel-Stadt“ Mölln schlagartig. Der damals 19-jährige Lars C. und der 25-jährige Michael P. warfen Brandsätze in zwei Häuser in der Ratzeburger Straße und der Mühlenstraße, die von türkischen Familien bewohnt wurden. Drei Menschen starben.

Im Haus in der Mühlenstraße starben zwei Mädchen, die zehnjährige Yeliz Arslan und die 14-jährige Ayse Yilmaz sowie die 51 Jahre alte Bahide Arslan. Neun Menschen wurden bei den Bränden schwer verletzt. Nach den Taten meldete sich bei Polizei und Feuerwehr ein anonymer Anrufer, um auf die brennenden Häuser hinzuweisen. Seine Ausführungen schloss er mit den Worten: „Heil Hitler“. Lars C. und Michael P., die der Skinhead-Szene angehörten und stadtbekannt waren, wurden wenige Tage nach der Tat festgenommen.

Weltweites Aufsehen

Der Anschlag von Mölln erregte weltweites Aufsehen, die Stadt wurde zum Symbol für mörderischen Rassismus. In ganz Deutschland protestieren Menschen mit Lichterketten gegen wachsenden Rechtsradikalismus. Schon vorher hatte es Anschläge und Attacken gegen Ausländer gegeben. Drei Monate zuvor hatten die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen für Entsetzen gesorgt: Rechte Randalierende hatten in der Plattenbau-Vorstadt ein überfülltes Asylbewerberheim belagert und schließlich unter dem Applaus von Anwohner:innen Brandsätze auf ein dort ebenfalls untergebrachtes Ausländerwohnheim geworfen. Die Polizei ließ den Mob gewähren, der Staat, so der damalige Eindruck, schaute zu. Ein Jahr zuvor war im sächsischen Hoyerswerda ein Ausländerheim mit Brandsätzen und Stahlkugeln angegriffen worden. „Mölln war kein singulärer Vorfall, sondern Teil einer Kette von Ereignissen“, sagte Bürgermeister Jan Wiegels später. Rechtsradikale Parteien feierten nach der Wiedervereinigung Wahlerfolge, das Asylrecht wurde in der Folge durch einen  Bundestagsbeschluss stark eingeschränkt. 

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Rassistische Gewalt und Möllner Gedenken

Der Anschlag von Mölln war der erste rassistisch motivierte Anschlag im wiedervereinten Deutschland, bei dem Menschen starben. Es folgten weitere tödliche Attacken, wie die im nordrhein-westfälischen Solingen am 29. Mai 1993, bei denen fünf Menschen ums Leben kamen. Mölln sah sich nach den Anschlägen Vorwürfen ausgesetzt, dem Treiben rechtsradikaler Jugendlicher tatenlos zugesehen zu haben. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht verurteilte Michael P. am 8. Dezember 1993 wegen dreifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, Lars C. wurde zu zehn Jahren Haft nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Beide Täter kamen nach wenigen Jahren wieder vorzeitig auf freien Fuß. Lars C. wurde 2000, Michael P. 2007 aus der Haft entlassen. Eine Gedenktafel und ein Holzbalken mit stilisierten Flammen an der Wand des Brandhauses in der Mühlenstraße erinnern heute an den tödlichen Anschlag. Das Gebäude trägt den Namen von Bahide Arslan. 

Verein zum friedlichen Zusammenleben

Kurz nach den Anschlägen gründete sich der Verein „Miteinander leben“, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Zusammenleben von deutschen und ausländischen Mitbürger:innen in der Region zu verbessern. Damit sich die Menschen sicher fühlen können, ist die Stadt um ein gutes Miteinander bemüht, heißt es aus der Stadt. Man pflege laut Bürgermeister Wiegels ein freundschaftliches Verhältnis zur türkischen Gemeinde und versuche, einen Beitrag für eine friedliche und weltoffene Gesellschaft zu leisten. „Vor allem die politisch Verantwortlichen sind sich dessen bewusst, dass wir hier eine besondere Verantwortung tragen. Solche schrecklichen Geschehnisse wie 1992 dürfen nicht wieder stattfinden“, sagte Wiegels 2017 anlässlich des 25-jährigen Gedenkens der Opfer. Nur mit der Opferperspektive tut man sich mitunter schwer. İbrahim Arslan überlebte als Siebenjähriger den Brandanschlag, bei dem er seine Schwester, seine Großmutter und seine Cousine verlor. Familie Arslan kämpft seit Jahren gegen das Vergessen, um die Anerkennung der Perspektive der Betroffenen rechter Gewalt und mit der Stadt Mölln um ein angemessenes Gedenken. Die „Möllner Rede“, deren Redner:innen Familie Arslan jahrelang ausgesucht hatte, ist seit 2013 nicht mehr Teil der offiziellen Gedenkveranstaltung. In der Stadt heißt es, die Reden seien „zu politisch“ gewesen. Seitdem organisiert Familie Arslan die „Möllner Rede im Exil“, die jedes Jahr in einer anderen Stadt gehalten wird.

von Jens Mecklenburg

Gedenken in Mölln und Kiel
Anlässlich des 30. Jahrestages des Brandanschlags veranstaltet die Stadt Mölln am 23. November einen Gedenktag. Die Veranstaltung beginnt um 12 Uhr mit der Öffnung der Fatih-Sultan Moschee, ab 16 Uhr besteht dort die Möglichkeit zum Gebet. Um 17 Uhr findet ein Gedenkgottesdienst in der St. Nicolai-Kirche statt, bevor ab 18.15 Uhr die beiden Brandhäuser besucht werden. Die Abschlussveranstaltung beginnt um 19.30 Uhr im Hotel Quellenhof. Am selben Tag findet eine Demonstration und Gedenkveranstaltung des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus in Kiel statt. Auftaktkundgebung: 18 Uhr, Holstenfleet, Gedenkveranstaltung mit musikalischer Begleitung: 19.30 Uhr auf dem Bahide-Arslan-Platz in Gaarden.

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