Birthe Nohrden ist in Großharrie bei Neumünster aufgewachsen. Aus dem kleinen Dorf zog es sie in die große weite Welt nach Australien. Die Lebensart im Norden hat mit ihr über Weihnachten in Down Under, den blauen Himmel und Heimweh gesprochen.
Die Welt ist so klein. Unsere Kollegin Anne-Kristin Bergan kennt Birthe Nohrden über mehrere Ecken. Wir fanden die Geschichte einer Schleswig-Holsteinerin in Australien so spannend, dass wir sie gerne mit unseren Leser:innen teilen möchten.
Lebensart: Birthe, vor 20 Jahren hast du das erste Mal Weihnachten in Australien verbracht. Wie war das für dich?
Birthe Nohrden: Ich fand es total spannend zu sehen, wie Weihnachten hier gefeiert wird. Auch der traditionelle Truthahn mit Bacon war interessant. Vor allem, weil es in dem Jahr extrem heiß war. Wir hatten 45 °C an Weihnachten. Das ist sehr gewöhnungsbedürftig in Kombination mit Truthahn und Ofen.
Warum bist du nach Australien ausgewandert?
Ich hatte schon lange den Traum, in Australien zu arbeiten. Ich habe es dann zwar nicht direkt geschafft, dort zu arbeiten, aber ich habe für sechs Wochen Urlaub in Australien gemacht. Mir hat das ganze Land so gut gefallen und dann habe ich auch noch einen Australier kennengelernt. Meinen jetzigen Partner Mark. Das war zwar nicht der ausschlaggebende Punkt, der mich dazu brachte, den großen Sprung zu wagen, aber schon das i-Tüpfelchen. Das war 2001. Anschließend war ich für sechs Wochen in Deutschland, dann sechs Monate in Neuseeland und schließlich bin ich nach Sydney zurück und mit Mark zusammengezogen. Jetzt leben wir in dem Vorort Hornsby Heights, 30 Kilometer nördlich von Sydney. Im Vergleich ist das wie Kaltenkirchen zu Hamburg.
Wer ist „wir“?
Das sind mein Partner Mark, mein Sohn Bryce, der im Oktober 10 Jahre alt geworden ist, und meine 12-jährige Tochter Emily. Und wir haben einen Covid-Hund namens Lucky. Ein Cavoodle, ein Cavalier King Charles Pudel.
Wie ist damals der Traum entstanden, in Australien zu arbeiten?
Ich habe von meiner Patentante einen Spielzeug-Kiwi, den bekannten neuseeländischen Vogel mit dem gedrungenen Körper und langen Schnabel, als Souvenir geschenkt bekommen. Den fand ich sehr interessant, weil er von der anderen Seite der Welt kam. Danach habe ich viele Bücher, unter anderem über die Kultur der Aborigines, gelesen. Ganz besonders das Buch „Traumfänger“ von Marlo Morgan hat mich fasziniert. Die Weite, die Natur und die Aboriginal Culture, das Land, die Kängurus und wahrscheinlich einfach das weit weg sein.

Was macht Australien für dich so besonders?
Meine erste Antwort ist immer der blaue Himmel, den sieht man in Schleswig-Holstein ja nicht so häufig. Leider haben wir den in den letzten Jahren auch nicht so oft gesehen. Vor drei Jahren waren es die Waldbrände und seit zwei Jahren sind es immer wieder Regenwolken, die nicht nur den blauen Himmel verdecken, sondern auch für Überschwemmungen sorgen. Der zweite Grund ist schwierig in Worte zu fassen. Es fühlt sich so an, als sei die spirituelle Verbindung zum Leben noch stärker. Irgendwie biegen sich die Dinge immer richtig hin. Alles hat seinen Grund, man trifft die richtigen Leute zur richtigen Zeit und die Kultur der Menschen ist auch sehr lässig. „No worries (dt. Kein Problem!), es wird schon alles gut gehen“, lautet hier die Devise. Die Australier sind mehr im Fluss des Lebens. Das ist ein starker Kontrast zu Deutschland, wo alles perfekt geplant sein muss.
Vermisst du Deutschland?
Wenn man einmal den Sprung gewagt hat und mit einem internationalen Partner zusammen lebt, fühlt man sich nirgendwo komplett zu Hause. Eine Seite fehlt immer. In Australien fehlt mir Deutschland und in Deutschland fehlt mir Australien.
Das ist tatsächlich ein schwieriges Thema. Lass uns weiter über Weihnachten sprechen. Kombiniert ihr in dieser Zeit das Beste aus beiden Kulturen?
In Australien wird Weihnachten eigentlich am 25. Dezember gefeiert. Am 24. Dezember kommt der Weihnachtsmann in der Nacht durch den Schornstein und wenn die Kinder morgens aufwachen, sind die Geschenke da. Um deutsche und australische Tradition zu kombinieren, kommt er bei uns am 23. Dezember in der Nacht und dann sehen die Kinder am 24. Dezember morgens die Geschenke.
Ist es für die Kinder schwer, damit in der Schule umzugehen?
(lacht) Nee, das ist ganz logisch! Wir sind ja deutsch. Und dann können wir am nächsten Tag zu Freunden und Familie und dort feiern. So haben wir an beiden Tagen Geschenke.
Was gibt es an eurem Heiligabend zu essen?
Ich versuche unterschiedliche, typisch deutsche Gerichte zu kochen, zumindest so gut es geht. So wie meine Mutter bekomme ich das allerdings nicht hin. Bei Marks Familie gibt es meistens das Gleiche: den traditionellen Truthahn, Schweinebraten und gebackenen Kassler mit viereckig eingeschnittener Kruste. Dazu essen wir Ofenkartoffeln, Gemüse und verschiedene Salate. Die Füllung vom Truthahn kommt separat auf den Tisch, zusammen mit Apfelmus und Cranberrymarmelade. Jeder bringt das mit, was er am besten kann. Hauptsache, es gibt viel! Aber trotzdem stehen nicht das Essen oder die Deko im Fokus, sondern das Beisammensein und miteinander reden.

Wie sieht euer Haus zu den Feiertagen aus? Wie ist es dekoriert und habt ihr einen Weihnachtsbaum?
In Australien wird eher modern dekoriert. Bei meiner Freundin zum Beispiel gibt es nur Einzelteile und alles leuchtet in Regenbogenfarben. Bei mir ist es eher klassisch Rot und Weiß, ich baue eine Krippe auf und überall stehen Kleinigkeiten. Vor allem verwende ich echte Kerzen, was man in Australien nur selten sieht. Die Deko ist eher künstlich und mit viel Plastik, bei mir kommen hauptsächlich natürliche Produkte ins Haus. Nur unser Tannenbaum ist künstlich. Es gibt hier zwar Naturbäume, aber die sehen nicht aus wie die in Deutschland. Eher wie Koniferen. Und sie sind teuer. Zwischen 100 und 150 Dollar kostet ein Baum. (Anmerkung der Redaktion: Das entspricht etwa 60 bis 100 Euro.) Ein besonderes Highlight ist die Sydney Road fünf Minuten von uns entfernt. In der Straße werden die Gärten mit vielen Lichtern geschmückt. Inzwischen ist sie so bekannt, dass viele Touristen von weitem anreisen.
Wie schmückt ihr euren Baum?
Entweder verwendet man ein Set mit Weihnachtskugeln oder sammelt für die traditionelle Variante Souvenirs vom Reisen und alles, was zum Beispiel die Kinder im Kindergarten oder in der Schule gebastelt haben. Es sind also vielmehr Erinnerungsstücke als Dekoration. Statt Lametta legen wir silberne oder goldene Girlanden um den Baum.
Als ich mal Weihnachten in Australien verbracht habe, kam der Weihnachtsmann barfuß zur Tür rein. Hatten ihr ihn auch schon mal zu Besuch?
Nein, bei uns war er noch nicht. Aber in den Einkaufszentren sieht man ihn oft. In Australien ist es eine große Tradition, sich mit der ganzen Familie und dem Weihnachtsmann vor einem schön dekorierten Hintergrund fotografieren zu lassen. Manchmal sieht man Santa aber auch am Strand und mit dem Surfbrett über die Wellen reiten.
Welche Traditionen aus Deutschland führt ihr auch in Australien weiter?
Der Nikolaus kennt uns noch und kommt am 6. Dezember vorbei, wenn wir die Schuhe rausstellen. Eigentlich gibt es den in Australien aber nicht. Generell zelebrieren wir die Vorweihnachtszeit mehr als andere Australier. Wir backen zum Beispiel auch Kekse und basteln ein Knusperhäuschen. An dem Ausstechen und Dekorieren haben die Kinder total Spaß. Sie sind damit aufgewachsen und fühlen dadurch die Verbindung nach Deutschland.

Gibt es bei euch auch Weihnachtsmärkte?
Die gibt es leider nicht und das vermisse ich tatsächlich. Aber bei 40 °C würde der Glühwein eh nicht schmecken. Deshalb gibt es in Australien und vor allem in Sydney „Christmas in July“ (dt. Weihnachten im Juli). Wir fahren zum Beispiel mit Freunden in die Blue Mountains, zwei Stunden von Sydney entfernt. Dort ist es kälter als in der Stadt und manchmal schneit es sogar. In der großen Gruppe feiern wir quasi ein zweites Weihnachten, mit Kälte, Glühwein und Lagerfeuer. In unserem Umkreis kommen viele aus Europa und für die muss Weihnachten kalt sein, um das Gefühl richtig aufleben zu lassen.
Wie verbringt ihr den sommerlichen Weihnachtstag?
Wir spielen Backyard Cricket mit der ganzen Familie. Ich erkläre dir mal die Regeln: Man braucht zwei Wickets, also drei senkrecht stehende Stäbe, sogenannte Stumps. Auf den Stäben liegt ein kleines Stück Holz. Dann gibt es einen Batter, einen Bowler und das Team. Der Batter, also die Person mit dem Schläger – der sieht aus wie beim Base Ball, ist aber flacher – steht vor dem einen Wicket, um ihn zu beschützen. Das Stück Holz darf nicht herunterfallen, sonst ist man raus. Gegenüber steht der Bowler und wirft den Ball so in Richtung Batter, dass er einmal auf dem Boden aufkommt. Der Batter muss den Ball wegschlagen und zwischen beiden Wickets hin und her laufen. Für jeden Lauf zwischen den Wickets, dem Run, bekommt er Punkte. Immer wenn er sich hinter einem Wicket befindet, ist er auf der sicheren Seite. Währenddessen versucht das Team den weggeschlagenen Ball zu fangen oder zu finden, um ihn so schnell wie möglich an die Wickets zu schlagen. Ist der Batter in dem Moment nicht hinter der sicheren Linie, ist er raus und die nächste Person bekommt den Schläger. War der Batter auf der sicheren Seite, kann er weiter schlagen. Man braucht für Backyard Cricket mindestens vier Personen. Wir sind also viel draußen an Weihnachten, spielen Cricket oder die Kinder sind auf dem Trampolin. Auch Wikingerschach wird hier immer beliebter.
Eine wichtige Sache haben wir noch gar nicht angesprochen. Was esst ihr zum Nachtisch?
Ein traditioneller Nachtisch ist Pavlova. Das ist ein Baiser so groß wie eine Torte, aber eher flach und innen etwas weicher. Darauf verteilt man Sahne und Passionsfrucht. Das ist sehr lecker!
Das klingt wirklich gut und ist ein
perfekter Abschluss für unser Gespräch!