
Wie mag es wohl für die Insassen der ISS sein? Was empfinden sie in der Schwerelosigkeit, bei ihrer Arbeit, beim Verlassen der Station, um von außen an der ISS zu arbeiten, beim Blick auf die Erde? Alle 90 Minuten umrundet die Raumstation die Erde, 16 Umrundungen sind es in 24 Stunden. Das ist der Zeitraum, in dem der Roman „Umlaufbahnen“ von Samantha Harvey spielt. Sie gewährt uns einen Einblick in das Innere der Station und ihrer sechs vorrübergehenden Bewohner*innen, zwei Frauen und vier Männern. So erfahren wir beispielsweise, wie die Schwerelosigkeit ihre Körper verändert, wie sie schlafen, essen, trinken, ihre Experimente betreuen und staunend auf die Erde, ihren Heimatplaneten, und in die Weite des Weltalls blicken. Aber auch der Tod der Mutter einer Astronautin, während diese auf der ISS ist und deshalb nicht an deren Beerdigung teilnehmen kann, ist bei Harvey Thema. Was ihren brillanten Roman jedoch so faszinierend macht, sind die Beschreibungen der Weltgegenden, die jeweils bei den einzelnen Umlaufbahnen überquert werden. Diese sind poetisch, sprachmächtig und überaus anschaulich. So wird die Lektüre von „Umlaufbahnen“ vor dem inneren Auge auch zu einem grandiosen sowie unvergesslichen visuellen Erlebnis.

Für ihren außergewöhnlichen Roman „Umlaufbahnen“ erhielt Samantha Harvey 2024 den „Booker Prize“, die wichtigste literarische Auszeichnung Großbritanniens, eine Entscheidung, die alle, die ihr Buch lesen, bestens nachvollziehen können.