Die Organisation PROVIEH setzt sich für die artgerechte Haltung von Nutztieren ein und ist damit eine gute Informationsquelle für Verbraucher*innen, denen Tierwohl und Nachhaltigkeit am Herzen liegen.
PROVIEH ist auf nationaler und internationaler Ebene tätig. Die Organisation steht für Transparenz, Verantwortung und Empathie gegenüber allen Lebewesen und ist damit eine wichtige Adresse, wenn es um Tier- und Naturschutz, Nachhaltigkeit und Informationen für Verbraucher*innen geht. Aktuell bietet eine Ausstellung in Kiel jungen Menschen die Möglichkeit, einen bewussteren Umgang mit tierischen Lebensmitteln zu entwickeln. Lebensart im Norden hat mit PROVIEH Geschäftsführerin Anne Hamester gesprochen.
Frau Hamester, welche erfolgreichen Kampagnen oder Projekte hat PROVIEH in den letzten Jahren durchgeführt?
Dank unserer Bemühungen konnte das Kükentöten in Deutschland zum 1. Januar 2022 gesetzlich verboten werden. Zudem hat PROVIEH mit seiner Kampagne „Lass die Sau raus“ das Ende der Kastenstandhaltung von Sauen durchgesetzt. Mit der jüngsten europaweiten Kampagne „End the Cage Age“ hat PROVIEH gemeinsam mit Verbündeten die erfolgreichste Petition in der EU auf den Weg gebracht. Mehr als 1,4 Millionen Menschen forderten die EU-Kommission auf, die Käfighaltung zu beenden. Auf dieser Grundlage prüft die Kommission nun ein solches Verbot – es könnte der größte internationale Tierschutz-Erfolg werden.
Wie sensibilisiert PROVIEH für den Tierschutz?
Um dauerhafte Veränderungen in der Gesellschaft zu bewirken, richten wir unser Augenmerk auf den Tierschutz-Nachwuchs. Es ist uns ein großes Anliegen, Kinder und Jugendliche für die Bedürfnisse von Nutztieren zu sensibilisieren. Aktuell stellen wir unsere interaktive Ausstellung „Ausflug in die Welt der Nutztiere“ vor. In den Räumen von PROVIEH in der Kieler Innenstadt, Küterstraße 8, können Schüler*innen und andere Interessierte in die Lebenswelt von Rind, Schwein und Huhn eintauchen und deren Bedürfnisse und Haltungsbedingungen kennenlernen. Die Ausstellung ist ab sofort geöffnet und bietet jungen Menschen die Möglichkeit, einen bewussteren Umgang mit tierischen Lebensmitteln zu entwickeln. Der Besuch ist kostenlos und wird von unseren Bildungsreferent*innen begleitet. Besonders geeignet ist die Ausstellung für fünfte bis achte Klassen, bietet aber auch für andere Altersstufen spannende Einblicke.
Was verbirgt sich hinter dem Arbeitstitel „Kuh und Kalb“?
Eines unserer erfolgreichen Projekte trägt den Titel „Kuh und Kalb“. Wir sind sehr stolz, in den letzten Jahren die kuhgebundene Kälberaufzucht bekannt gemacht zu haben. Statt Kuh und Kalb direkt nach der Geburt voneinander zu trennen, wachsen Kälber natürlicherweise an der Seite der Kühe auf. Mit dem Projekt hat PROVIEH unter anderem ein Siegel entwickelt, das Produkte aus kuhgebundener Kälberaufzucht kennzeichnet. Dazu gehört eine Onlinekarte, auf der die Verbraucher*innen Produkte und Höfe mit kuhgebundener Kälberaufzucht finden können.
Anne Hamester
Geschäftsführerin von PROVIEH Deutschland
Sie plädieren für transparentere Haltungskennzeichen. Warum?
Im Supermarktregal ist häufig nicht ersichtlich, wie es dem Tier hinter dem Lebensmittel ergangen ist. Trotz der vielen Labels und dem Haltungsform-Kennzeichen stehen Verbraucher*innen mit vielen Fragezeichen vor dem Regal. Es braucht eine Haltungskennzeichnung, die verständlich ist und transparent macht, wie das Tier gelebt hat. Die Bundesregierung hat zwar begonnen, eine gesetzliche Kennzeichnung auszugestalten, allerdings kommt diese zunächst nur für Schweinefleisch und beruht auf unzureichenden Tierwohl-Kriterien. Verbraucher*innen können auf Nummer sicher gehen, indem sie beim Kauf tierischer Produkte gezielt Höfe unterstützen, von denen sie wissen, dass die Haltungsbedingungen ihren Grundsätzen entsprechen.
Was sind die aktuellen Herausforderungen im Bereich des Tierschutzes in der Landwirtschaft?
Derzeit arbeiten wir an der Novellierung des Tierschutzgesetzes. Nachdem das Gesetz seit über 50 Jahren nicht grundlegend geändert wurde, haben wir aktuell eine echte Chance, mehr Tierschutz zu erreichen. Neben dem Ende der Anbindehaltung und der Verstümmelungen fordern wir ein Ende der Qualzucht, die sich im System der Hochleistungszucht durchgesetzt hat, mehr Kontrollen und Sanktionen bei Tierschutzverstößen sowie das Ende von Tiertransporten in Drittstaaten. Zudem setzen wir den Fokus auf das Leid in der Schweinehaltung: Rund 95 Prozent der Ferkel in Deutschland werden die Ringelschwänze abgeschnitten, da die Tiere in einer beengten, reizarmen Umgebung dazu neigen, auf den Schwänzen ihrer Artgenossen herumzukauen. Das Kupieren geschieht ohne Betäubung. Den Tieren wird damit ein wichtiges Kommunikationsmittel genommen – ähnlich wie der Hund drückt das Schwein mit seinem Schwanz Emotionen aus. Insgesamt bleiben die Herausforderungen groß. Zugleich bieten sich aktuell zahlreiche Möglichkeiten, den Tierschutz maßgeblich zu verbessern. Dabei freuen wir uns über Unterstützung!
Wer ist PROHVIEH?
PROVIEH ist Deutschlands erfahrenste Tierschutz-Organisation für „Nutztiere“. Seit 1973 setzen sich die Mitglieder wissenschaftlich und sachlich für artgemäße Tierhaltung und gegen industrielle Intensivtierhaltung in der Landwirtschaft ein. Wichtig ist ihnen das Verständnis von Nutztieren als intelligente und fühlende Lebewesen mit arteigenen Bedürfnissen und Verhaltensweisen.
Fotos: PROVIEH (2) / Adobe Stock (2)