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Es war schon eine kleine Sensation, als sich ein Seehund in das Lübecker Fischerdorf Gothmund an der Trave verirrte. Schließlich ist der Meeressäuger normalerweise eher in der Nord- und Ostsee anzutreffen, nicht aber im Binnenland. Gut ein Jahr ist dies nun her und bislang blieb es auch bei diesem einem Besuch. Doch jetzt hat sich die Kreisjägerschaft Lübeck eingeschaltet – mit einem ziemlich einfallsreichen und innovativen Plan…

Der Seehund als Jagdhund

Vielleicht hat sich der erste Seehund in Gothmund damals einfach nur von seiner besten Seite gezeigt oder er war gut erzogen – auf jeden Fall sorgte sein Auftritt für mächtig Eindruck bei allen Beobachtern. „Wir konnten sehen, dass der Seehund sehr anpassungsfähig ist und gut mit den speziellen Bedingungen im Binnenland klarkommt“, so Wulf-Heiner Kummetz, Vorsitzender der Kreisjägerschaft Lübeck. Als Jäger ist Kummetz unter anderem dafür verantwortlich, dass der Wildbestand im Umkreis der Hansestadt Lübeck gehegt und das Ökosystem geschützt werden. Dazu gehören auch die Eindämmung von Wildkrankheiten, die Vermeidung von Wildschäden, die Bereitstellung von Rückzugsorten für die Tiere, Fütterungen in harten Wintern und viel mehr.

Als der Seehund erstmals in der Trave auftauchte, fand er eine reich gedeckte Tafel vor. Denn zu dieser Zeit herrschte dort eine Überbevölkerung von Biberratten. Der „Nutria“ ist eine Nagetierart, die sich an nahezu allen Ufern von Seen, Flüssen, Bachläufen und Teichen in Schleswig-Holstein eingebürgert hat. Mittlerweile gefährdet der Nager, der ursprünglich von Südamerika eingeschleppt wurde, durch seine Bauten massiv den Hochwasserschutz. Sein Bestand muss deshalb zurückgedrängt werden. Seehunde wären als natürliche Fressfeinde der Biberratte die perfekte Waffe. Wulf-Heiner Kummetz und die Lübecker Kreisjägerschaft haben das Projekt „Seehunde-Aufzucht-Anstalt“ jetzt angeschoben. „Wir sind mit den Vorbereitungen bereits sehr weit, die Entwicklung der Idee hat fast ein Jahr gedauert“, sagt Kummetz, der die Anstalt zukünftig auch leiten wird.

Auf einem ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb, wenige Kilometer südlich von Lübeck, ist alles vorbereitet. „Wir haben reichlich Becken für die Heuler, Quarantänestationen und einen Untersuchungsraum für die Tiere. Zudem ist eine ehemalige Tierpflegerin aus der Seehundeaufzuchtstation Friedrichskoog eingestellt worden, die sich um die Meeressäuger kümmern wird.“ Der Anstaltsleiter rechnet mit bis zu 30 Tieren, die in der ersten Saison aufgepäppelt und dann wieder ausgewildert werden sollen. Die Heuler werden von den Halligen, Inseln und Nordseestränden direkt per Flugzeug zum Flughafen Blankensee verbracht, wo sie dann einen fünfminütigen Fahrtweg bis zur Station haben werden. Auch Meerwasser soll es in den Becken geben. Dafür wurde eine Spedition beauftragt, die täglich mit einem Tankwagen Ostseewasser nach Lübeck fährt.

Ein einmaliges Naturschutzprojekt

Der Grund für den Standort Lübeck ist relativ einfach erklärt: „Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass sich Seehunde auch in Binnengewässern ausgesprochen wohlfühlen. Da wir gesehen haben, wie gerne Seehunde auch Nutria fressen, werden wir bereits die Jungtiere auf das Fangen der Biberratten konditionieren. Genau das ist das Konzept unserer Aufzucht. Wir möchten die Seehunde nämlich in unseren heimischen Flüssen und Seen etablieren und mit deren Hilfe für einen natürlichen Hochwasserschutz, vor allen Dingen in den Küstenregionen, sorgen“, so Kummetz. Im zehnköpfigen Projektteam, das die Seehunde-Aufzucht-Anstalt von fachlicher Seite unterstützt, sitzen Meeresbiologen, Biologen, Tierärzte und Zoologen.

Im ersten Jahr wird der Elbe-Lübeck-Kanal als Auswilderungs-Gewässer genutzt. Davon versprechen sich die Experten die bestmöglichen Überlebenschancen für die jungen Seehunde. Zudem können sie sich über den Elbe-Lübeck-Kanal gut verbreiten. Ziel ist schließlich nicht nur die Auswilderung, sondern der langfristige Aufbau einer stabilen Binnenland-Population. Die Kreisjägerschaft Lübeck rechnet damit, dass so in den kommenden zehn Jahren bis zu 500 Binnenland-Seehunde in und um Lübeck beheimatet sein könnten. Für die Folgejahre sind Gewässer wie der Ratzeburger See, der Sehlendorfer Binnensee, die Eider oder die Wakenitz geplant.

Der Öffentlichkeit wird die neue Seehunde-Aufzucht-Anstalt übrigens zunächst nicht zugänglich gemacht. „Noch steht die Infrastruktur nicht ganz. Sobald wir aber die Verkehrs- und Parkplatzsituation mit der Stadtplanung geregelt haben, geht unsere Homepage mit Veranstaltungskalender und Fütterungszeiten online. Geplant ist auch ein Streichelzoo mit Seehunden, die aufgrund zu schwerer Verletzungen nicht mehr ausgewildert werden können. 

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