Anzeige

Als ich von meinen Reiseplänen erzählte, haben viele ungläubig, vielleicht ein bisschen besorgt, den Kopf geschüttelt. Ich war auch ziemlich aufgeregt, aber letztendlich war es für mich der abenteuerlichste, kälteste und außergewöhnlichste Urlaub.

von Mirjam Stein

Um mich herum glitzert die Landschaft. Weiß, mit unzähligen kleinen Lichtpunkten, die mich beinahe blenden. Hohe Schneekuppen sitzen auf den Ästen der Bäume, Baumspitzen neigen sich unter dem Gewicht des weißen Pulvers in einem Bogen auf den Boden. Wie im Flug sausen mein Team und ich an der Landschaft vorbei. Unter den 16 Pfoten meiner Begleiter knirscht der Schnee. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Ich stehe auf einem Hundeschlitten, gezogen von vier Alaskan Huskys, und reise durch das verschneite Lappland im Norden Finnlands. Wir sind nicht alleine, insgesamt 30 Hunde und sieben Menschen gehören zu dieser Tour. Wir fahren von Hütte zu Hütte. Den gewohnten Service aus dem Hotelurlaub gibt es nicht, genauso wenig wie Strom und fließend Wasser. Dafür gehören aber Fleisch hacken, Feuer machen, Wasser holen und Hunde füttern zu unseren Aufgaben. Ein Abenteuer und ein großer Traum, von dem ich lange gar nicht wusste, dass ich ihn je umsetzen könnte.

Rund 500 Hunde leben im Äkäskero Sleddogcenter

Das Erste Beschnuppern

Nach einer Woche akklimatisieren, inklusive Schneemobiltour, Saunaerlebnis, Eishotel und vereisten Wasserfällen, ging es von Rovaniemi auf Höhe des Polarkreises noch ein Stück weiter in den Norden nach Äkäslompolo. Hier ist es hügeliger und der Schnee liegt noch ein bisschen höher. Perfekte Voraussetzungen für unsere Hundeschlittentour. Huskys beeindrucken mich schon seit vielen Jahren: ihre Stärke und ihr Willen zu laufen, ihr flauschiges Fell und die Augen mancher Hunde. In dieser Woche durfte ich diese Tiere wortwörtlich hautnah erleben. Am ersten Morgen führt uns unser Guide Ines zum Nordpol. So heißt der Zwinger, in dem ihr Rudel sozusagen in einer „Familie“ lebt. Wir bekommen eine erste Einweisung ins Schlittenfahren, das so gar nichts mit dem Rodeln zu tun hat, das ich von zu Hause kenne. Dann stellt sie uns die Hunde vor. Hilux ist pechschwarz und hat flauschiges Fell. Als ich ihm das Geschirr anziehe, schnuppert er kurz an mir und rollt sich wieder auf dem Schnee zusammen. Noch ein bisschen Energie tanken, bevor es losgeht. U Die schüchterne Zelda hat kurzes Fell in den verschiedensten Farben und leuchtend blaue Augen. Die kleine schwarze Lissy ist ein richtiges Energiebündel und sofort auf den Beinen, sie lässt sich knuddeln und scheint zu allem bereit zu sein. Bei Fairbanks sieht es anders aus. Der große, goldige Flauschbär will eigentlich nur kuscheln.

Die Hunde waren alle so verschmust, vor allem Fairbanks kann überhaupt nicht genug bekommen.

Tiefschneeerfahrung

Und dann geht alles schnell. Die Schlitten sind schon vorbereitet, wir müssen uns nur noch hinten auf die Kufen stellen und kräftig auf die Bremse treten. Am ersten Tag spannt das Farmteam die Hunde für uns an, weil sie voller Energie sind. Sobald ich das Bremspedal löse, geht die wilde Fahrt los. Die Hunde laufen eigenverantwortlich, ich muss mich nur darum kümmern, dass der Schlitten heil um die Kurven kommt. Keine leichte Aufgabe, wenn der Trail schmal und die Hunde schnell sind. Nach einer halben Stunde klettere ich das erste Mal aus dem Tiefschnee. Der Schlitten hat die Kurve nicht gekriegt und ist abgerutscht. Bis wir abends zur Farm zurückkommen, sind auch noch andere entweder im Schnee gelandet oder ihrem Schlitten hinterhergejoggt. Zum Glück laufen die Hunde immer in der Spur dem restlichen Rudel hinterher. Auf fehlende Passagiere wird dabei keine Rücksicht genommen.

Rindfleisch und Gänsehaut

Am nächsten Tag geht die Tour richtig los. Die Schlitten sind voll beladen mit Essen für uns, Futter für die Hunde und unserem Gepäck. An diesem Tag spannen wir die Hunde selbst an und brechen auf zur ersten Hütte. Wir fahren über zugefrorene Seen und durch verschneite Wälder. Inzwischen haben wir die Schlitten gut im Griff und können die Fahrt genießen. Bei der Hütte angekommen sind zuerst die Hunde an der Reihe. Raus aus den Geschirren und ran als Futter. Alle bekommen eine Portion Trockenfutter und stürzen sich gierig darauf. Danach werden Aufgaben verteilt. Eine Person ist für das Frischwasser zuständig, eine fürs Feuer, zwei fürs Kochen und zwei fürs Fleischhacken. Pro Tag bekommen die 30 Hunde 30 Kilo Fleisch – das ist natürlich tiefgefroren. Danach machen wir es uns in der Hütte gemütlich und essen eine warme Suppe. Vor dem Abendessen sind noch mal die Hunde an der Reihe. Inzwischen ist das Fleisch aufgetaut und wir steigen alle wieder in die Overalls, um gemeinsam die Meute zu füttern. Als alle Hunde satt sind, bedanken sie sich mit lautem Geheul bei uns. Das hat eindeutig Gänsehautpotenzial und ich bin einfach nur glücklich.

In voller Fahrt

Die nächsten Tage laufen gut. Wir fahren täglich zwischen 40 und 60 Kilometer durch die schönste Schneelandschaft, die ich je gesehen habe. Insgesamt legen wir 234 Kilometer zurück. Auf dem Schlitten fühle ich mich inzwischen wie auf meinem eigenen Fahrrad und will gar nicht mehr absteigen. Bergab geben die Hunde noch mal richtig Gas, bergauf kommt von Zelda ein böser Blick, dass ich jetzt helfen soll. Ich springe in den Schnee und schiebe, was bei voll beladenem Schlitten und mit den klobigsten Schuhen, die ich jemals getragen habe, eine mittelgroße Herausforderung ist. Die Bäume entlang des Trails jagen mir inzwischen weniger Angst ein. Manchmal bin ich komplett alleine auf der Strecke. Abgesehen vom knirschenden Schnee höre ich nichts. Kein Motorengeräusch, das mich begleitet, kein Handybimmeln, das von mir eine Interaktion fordert. Die anderen aus der Gruppe sind bereits vorgefahren oder brauchen etwas länger. In diesen Minuten wird mir klar, welches Glück ich habe, diese Tour machen zu können. Und dann geht es auch schon wieder bergab und ich muss mich auf den Schlitten konzentrieren.



Minusgrade und Polarlichter

Unterwegs treffen wir Schneemobiltouren und andere Gruppen mit Huskys. Dann heißt es entweder anhalten und warten, bis die Motorschlitten vorbeigefahren sind, oder „Alle Hunde in den Schnee, wir machen Platz!“. Also kippen wir die Schlitten vom Trail und kuscheln mit unseren Hunden im Schnee, bis die anderen vorbeigefahren sind. Gibt es was Schöneres?! Bei -25 °C morgens auf ein Plumpsklo zu gehen, sorgt vermutlich für weniger Freudensprünge, aber auch das gehört zu dieser Reise. Doch zurück zu den wirklich schönen Dingen: Wir waren im Februar/März in Finnland. Also überraschte uns der Himmel über Lappland mehrmals mit einer einzigartigen und kostenlosen Show: den Polarlichtern! Grün, Orange und Pink leuchtete der Himmel über unseren Köpfen. Besseres Kino gibt es gar nicht!

Tiere mit Charakter

Abends in der Hütte angekommen, ist ausgelassene Stimmung. Unser Guide erzählt bei Kerzenschein spannende Geschichten von anderen Touren. Gar nicht so ohne, was alles passieren kann. Wir erzählen von den unterschiedlichen Charakteren unserer Hunde. Fairbanks ist mittlerweile auch den anderen aufgefallen. Nicht nur wegen seiner beachtlichen Größe, sondern weil er alle, die an ihm vorbeigehen, hündisch anlächelt und sich in den Schnee wirft, sobald jemand Streichelambitionen zeigt. Auch von Lizzy, meinem Miniorchester, haben alle schon gehört. Nach Die Hunde sind unermüdlich gelaufen, ihre Wohlfühltemperatur liegt bei -12 Grad fünf Minuten Pause kann sie nicht mehr ruhig bleiben und fordert uns lautstark auf, weiterzufahren. Sie sind alle so liebenswürdig. Trotzdem müssen wir aufpassen, dass wir den vorderen Schlitten nicht überholen. Die Teams sind so zusammengestellt, dass sie sich vertragen. Treffen aber andere Hunde aufeinander, kann es zu einem Kampf kommen. Es sind eben noch richtige Hunde.

Wertschätzen

Nach vier Tagen erreichen wir wieder die Huskyfarm. Uns bleiben jetzt noch zwei Tage, bis wir wieder nach Hause fliegen. Die Zeit nutzen wir mit ganz vielen Kuscheleinheiten im Nordpol und gehen mit den Rentnerhunden spazieren. Die Huskyfarm Äkäskero gehört zu den wenigen Farmen, die sich ihren Hunden noch verpflichtet fühlt, obwohl sie nicht mehr für die Menschen arbeiten können. Dabei wäre es per Gesetz sogar erlaubt, sie zu töten, sobald sie nicht mehr einsatzfähig sind. Im Äkäskero Sleddogcenter hingegen werden die Tiere auch im Alter oder bei Krankheit noch versorgt, was ziemlich kostspielig ist. Insgesamt leben hier rund 500 Hunde, 20 Prozent davon sind bereits in Rente. Viele von ihnen haben aber immer noch Spaß am Laufen und Ziehen und so machen wir einen flotten Spaziergang durch den Wald. Mit „wir“ meine ich unsere zusammengewürfelte Reisegruppe. Wir haben die gesamte Woche miteinander verbracht, an den Tagen auf der Farm und während der Reise waren wir immer zusammen und sind ein richtig gutes Team geworden. Ich bin dankbar für dieses Erlebnis. Die Tage mit den Hunden in Hütten ohne Heizung und Wasserhahn bringen einen auf den Boden der Tatsachen zurück. Man bekommt einen Eindruck vom herkömmlichen Leben in Einklang mit der Natur. Wer diese recht nachhaltige Variante des Reisens ausprobieren möchte, kann sich freuen auf einen Ort, an dem die Tiere für ihr Wesen und ihre Arbeit geschätzt werden. Die Farm nimmt viel Geld in die Hand, um ihnen ein wertvolles, langes Leben zu schenken. Während der Tour sind Fleisch und Schnee als Drink für unterwegs der einzige Treibstoff, den unsere 16-beinigen Vehikel benötigen – abgesehen natürlich von zahlreichen Streicheleinheiten.


www.akaskero.com

Vorheriger ArtikelFührung durch die Sonderausstellung
Nächster ArtikelTaste Religion