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Das Bildungszentrum für Nachhaltigkeit in Glücksburg, artefact, ist weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins bekannt für seine Bildungsangebote. Ob Weiterbildungen im Lehmbau oder globales Lernen für Erwachsene und Kinder: Die gemeinnützige GmbH genießt großes Ansehen und leistet einen wichtigen Beitrag, nachhaltige Theorien und Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen.
von Marion Laß

Im vergangenen Jahr konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Lokalpolitik nicht nur kein Interesse am Erhalt dieses Leuchtturmprojektes hatte, sondern Befürchtungen, dass die Existenz des Bildungszentrums zugunsten lokaler Bauprojekte geopfert werden könnte, sich bewahrheiten. artefact „muss Insolvenz anmelden“, „kann die Pacht nicht bezahlen“, „darf keine Gäste mehr beherbergen“ – die Gerüchteküche um Glücksburgs Bildungseinrichtung war ordentlich am Kochen. Höchste Zeit für die Lebensart, der vielfach ausgezeichneten Einrichtung für Nachhaltigkeit einen Besuch abzustatten. LebensartRedakteurin Marion Laß sprach mit artefact-Geschäftsführer Werner Kiwitt.

Hallo Herr Kiwitt, an Gerüchten ist ja oft auch was dran? Auch in diesem Fall?
Hallo Frau Laß, tatsächlich kann ich erstmal Entwarnung geben. Wir sind sehr erleichtert, dass wir weitermachen können und auch wollen. Die Entscheidung in der jüngsten Sitzung des Finanz- und Hauptausschusses (FHA) der Stadt Glücksburg fiel zu unseren Gunsten aus, sodass wir jetzt wieder positiv nach vorne blicken.

Was ist denn passiert?
Im Grunde geht es um den schon sehr alten Erbbaurechtsvertrag aus dem Jahr 1988 mit der Stadt Glücksburg, in dem die touristische Nutzung, mit der wir uns seit Jahren finanzieren, nicht explizit ausgeschrieben ist. Im Zusammenhang mit dem an artefact angrenzenden Gebiet Wasserkoppel und den dort zu erstellenden F- und B-Plänen kam nun Bewegung in die Thematik.

Wieso dürfen Sie nicht an Touristen vermieten?
Die touristische Nutzung ist damals im Konzept für den Betrieb von artefact aufgeführt gewesen, sonst hätte die Finanzierung gar nicht funktioniert. Nur leider steht davon nichts im Erbbaurechtsvertrag mit der Stadt. Sehr zu unserem Leidwesen, denn als der Finanz- und Hauptausschuss der Stadt Glücksburg am 4. April 2023 in seiner Sitzung beschlossen hat, eine touristische Vermietung ab 1. Mai 2023 nicht mehr zuzulassen, hätte uns das unweigerlich in die Insolvenz getrieben. Wir müssen uns ja irgendwie finanzieren. Dies gelang uns bisher mit einer 45 %igen Nutzung der Betten durch touristische Übernachtungsgäste. Die anderen 55 % der Gäste gehören Gruppen an, die das artefact-Angebot nutzen – innerhalb von Klassenfahrten, Bildungsseminaren, Ferienpass-Aktionen und vielem mehr. Das Konzept geht seit vielen Jahren auf und ist bei Jung und Alt gleichermaßen beliebt und natürlich auch den beteiligten lokalen Akteuren in Politik und Verwaltung immer bekannt gewesen.

Das war sicher ein Schlag für Sie…
Ja, das kann man wohl sagen. Gott sei Dank haben wir gerade in diesen Tagen viel ermutigendes Feedback erhalten. Nicht zuletzt auch durch konkrete Erfolge. Wir planen den dritten norddeutschen Fachkraft Lehmbau-Kurs und die dritte Solarfachberater-Schulung nach Corona; gerade erst führten wir einen Afrika-Projekttag für eine Fockbeker Schule mit einer Kollegin und unserem Freiwilligen aus Ruanda durch, die Nelson Mandela Schule aus Berlin war auf Klassenfahrt bei uns, der 15. Schleswig-Holsteinische Solarcup fand statt, danach eine Balkonkraftwerk-Infoveranstaltung und ein dreiwöchiges internationales Workcamp parallel zu einer Tansania-Vorbereitung – aber all das geht nur, wenn wir die Grundfinanzierung unseres Zentrums selber erwirtschaften dürfen.

Wie wird es nun weitergehen?
Für unser bisheriges Finanzierungskonzept haben wir dank der Mehrheit von SSW, Die Grünen und SPD nun erst einmal grünes Licht vom Finanz- und Hauptausschuss erhalten. Uns wurde eine Übergangsfrist eingerichtet, um den laufenden Betrieb nicht zu gefährden, und bei der Festlegung der Pacht soll berücksichtigt werden, dass es sich um eine gGmbH, also um ein gemeinnütziges Unternehmen handelt. Ich selber konnte wegen einer Parallelveranstaltung an der Sitzung leider nicht teilnehmen, doch Mitarbeiter und Unterstützer waren dort und wir haben uns gefreut, dass Sätze wie „Wir wollen nachhaltigen Tourismus, wir wollen ein Bildungszentrum, eine touristische Nutzung nehmen wir gerne in Kauf“ gefallen sind. Mit dem Beschluss vom Juli war dann auch der Finanzausschuss-Beschluss vom 4. April 2023 vom Tisch.

Ihnen wurde in der Juli-Sitzung von Bürgermeisterin Franke ein „eklatanter Vertrauensbruch” vorgeworfen, weil Sie trotz schriftlicher Mitteilung weiterhin vermietet haben. Wie sehen Sie das?
Der Beschluss vom 4. April 2023 war unserer Ansicht nach völlig unverhältnismäßig. Letztlich sind Nutzungen betroffen, die durch die Anpassung des Erbbaurechtsvertrags und des Planrechts ohnehin in Kürze auf eine rechtssichere Grundlage gestellt werden. Es geht also nur um einen zeitlich begrenzten Übergangszeitraum. Für die Zeit bis zum Jahresende lagen neben den Jugend- und Erwachsenenbildungsmaßnahmen zahlreiche längst verbindlich bestätigte Buchungen vor. Eine nachträgliche Stornierung dieser Buchungen hätte zu Regressforderungen und wirtschaftlichen Verlusten führen können und war unseres Erachtens völlig unverhältnismäßig. Dies habe ich der Stadtverwaltung gegenüber auch kommuniziert.

Was sagen Sie zum neuen Beschluss?
Wir haben ihn mit großer Erleichterung zur Kenntnis genommen. Das gibt elf Mitarbeitern und weiteren Freiwilligen wieder Planungssicherheit. Laut Vorlage soll der bestehende Erbbaurechtsvertrag nun an den im Entwurf befindlichen Bebauungsplan angepasst werden. Eine touristische Nutzung im Umfang von 45 % soll in den Erbbaurechtsvertrag aufgenommen werden. Der Umfang der touristischen Nutzung ist nachzuweisen. Und um einen möglichen Verstoß gegen EU-Beihilfe auszuschließen, ist eine marktübliche Pachtzahlung aufgrund des Verkehrswertes zu ermitteln und in den Erbbaurechtsvertrag aufzunehmen. Damit können wir leben. Der Beschluss ist eine schöne Bestätigung unserer Arbeit. Damit steht unsere Bildungseinrichtung wieder auf festem Boden.

Sie haben gerade erneut eine Auszeichnung bekommen, richtig?
Ja, gerade erst sind wir von der bundesweiten Kampagne „Katzensprung“ als „Leuchtturm im nachhaltigen Deutschlandtourismus“ ausgezeichnet worden. Diese ausgewählten Leuchttürme „bieten ein besonderes Urlaubserlebnis, leisten einen Beitrag zum Klimaschutz, kommunizieren das Thema Klimaschutz/Nachhaltigkeit nach außen und sensibilisieren Gäste, Mitarbeiter und Öffentlichkeit. Sie sind motiviert, ein Vorbild für andere Unternehmen zu sein und bieten eine Inspiration für eine an Nachhaltigkeit interessierte Zielgruppe“ heißt es in der Begründung der Auszeichnung. Das passt genau auf uns! Wir wollen unseren Gästen Mut zur Zukunftsgestaltung machen. Gut, dass all das nun weiterlaufen kann.

Wir wünschen Ihnen alles Gute.
Danke für das Gespräch

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