von Marion Laß

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Neben der plattdeutschen Sprache ist auch das Friesische in Schleswig-Holstein verbreitet. Eine Sprache, die noch viel im Nordwesten des Landes gesprochen wird. 

Ich erinnere mich noch genau: Wenn ich als Kind den Raum betrat, in dem sich meine Eltern gerade auf Plattdeutsch unterhielten, wechselten sie sofort die Sprache; jetzt war Hochdeutsch angesagt. Sie wollten nicht, dass ihre Tochter so spricht wie sie. Man fühlte sich wertiger mit Hochdeutsch. Wie schade! Ich wollte doch so gerne Plattdeutsch sprechen und habe den Klang dieser Sprache geliebt. Aber um eine Sprache zu lernen, ist es ja nie zu spät und so habe ich mir die plattdeutsche Sprache angeeignet. Heute spreche ich fließend und freue mich, wenn ich eine*n Gesprächspartner*in finde, mit der/dem ich „op Platt schnacken“ kann. Es ist ein Stück Heimat. Einer Freundin von mir ging es genauso – mit Friesisch. Sie hat nie Friesisch gelernt, weil ihre Eltern sich schämten.


Dr. Claas Riecken ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Nordfriisk Instituut in Bredstedt.

Diese Umstände sind Dr. Claas Riecken auch bekannt. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Nordfriisk Instituut in Bredstedt. „Woher kam bloß die Scham damals?“, hat er sich schon oft gefragt. „Vor 70 Jahren ist man noch verprügelt worden, wenn man als friesischsprachiger Dorfjunge von Föhr in die Stadt Wyk auf Föhr kam“, erzählt er mir während unseres Gespräches. Ich möchte mehr über die friesische Sprache von ihm erfahren. Ausschlaggebend dafür war das Interview mit der Künstlerin Norma, die vor einigen Wochen in der „Lebensart“ vorgestellt wurde. Die Songwriterin von Föhr lebt heute in Hamburg, schreibt aber hauptsächlich friesische Songs (www.normamusik.de).

Woher kommt das Friesische, Dr. Riecken?

Dr. Claas Riecken: Die Sprache gehört zum Westgermanischen, die nächsten sprachlichen Verwandten sind Englisch, Niederländisch und Deutsch. Friesisch gibt es nicht nur in Nordfriesland, sondern auch in den Niederlanden (Westfriesisch) und in Niedersachsen (Saterfriesisch).

Was macht die Sprache so besonders und was unterscheidet sie von Plattdeutsch?

Für viele Familien in Nordfriesland ist das Friesische die Herzenssprache, von den Großeltern bis zu den Enkeln. An folgendem Satz sieht man den Unterschied zu Plattdeutsch sehr deutlich:
Hochdeutsch: Der Junge war mit dem Mädchen am Tisch, da fuhr der Vater von der Kirche den Deich herauf.
Plattdeutsch: De Jung weer mit de Deern an de Disch, dor fohr de Vadder vun de Kark op na de Diek.
Friesisch (Frasch): Di dring wus ma jü foomen bai e scheew, deer kjard di taatje foon e schörk ap eefter e dik.

Was hat es mit den Dialekten auf sich?

Friesisch wird im Norden des Kreises Nordfriesland und auf Helgoland gesprochen. Es gab früher zehn verschiedene Dialekte, die zum Teil sehr unterschiedlich waren. Heute sind es noch sieben. In der Süder- und Mittel-Goesharde – Hattstedt, Struckum und Breklum – spricht keiner mehr Friesisch, in der Karrharde und auf den Halligen steht die Sprache kurz vor dem Aussterben.

Wo wird noch Friesisch gesprochen?

Auf den Inseln Föhr und Amrum wird relativ viel Friesisch gesprochen. Auf Sylt ist es selten geworden, dort heißt das Friesische Sölring, auf Amrum Öömrang und auf Föhr Fering, die letzten beiden entstammen einem Hauptdialekt und sind ähnlich. Auf dem Festland gibt es noch die Hochburg Risum-Lindholm, wo man Friesisch auch mal auf der Straße hören kann. Im dänischen Kindergarten und in der dänisch-friesischen Schule im Ort unter Schulleiterin Berit Nommensen und Team wird Friesisch neben Dänisch als Unterrichtssprache benutzt.

Welche Aufgaben hat das Nordfriisk Instituut in Bredstedt?

Das Nordfriisk Instituut in Bredstedt ist eine Einrichtung, die sich der Erforschung, Pflege und Förderung der nordfriesischen Sprache, Kultur und Geschichte widmet. Das Institut spielt seit 1965 eine zentrale Rolle bei der Bewahrung der nordfriesischen Identität und dient als wichtiger Anlaufpunkt für Wissenschaftler*innen, Sprachforscherinnen, Studentinnen und Interessierte. Zu den Hauptaufgaben des Instituts gehören die Sprachpflege durch Sprachkurse, Schulprojekte und Sprachförderprogramme. Zusätzlich betreibt das Institut Forschung und Dokumentation, indem es Studien, Bücher und Fachartikel veröffentlicht, die sich mit der Sprache, Geschichte und Kultur Nordfrieslands befassen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit organisiert das Nordfriisk Instituut Vorträge, Seminare und kulturelle Veranstaltungen. Es bietet Fortbildungen für Lehrer*innen und andere Multiplikatoren an, um die friesische Sprache in Bildungseinrichtungen zu fördern. Neben der wissenschaftlichen Arbeit unterstützt das Institut auch kulturelle Aktivitäten wie das friesische Theater, Literatur und Musikveranstaltungen, vor allem aber bietet es eine moderne multimediale Dauerausstellung zum Friesischen: das Nordfriisk Futuur.

Das Nordfriisk Instituut in Bredstedt (Bräist)

Welche Projekte sind aktuell geplant?

Wir haben sechs neue Mitarbeiter*innen im Institut. Sie widmen sich der neuen Abteilung Liir­skap (Lernschiff oder auch Lehrschaft) mit der Abteilungsleiterin Dr. Lena Terhart. Ihre Aufgabe ist es, Lernmaterialien für Kinder (Schulen) und Erwachsene zu entwickeln, Lehrkräfte fortzubilden und das Friesische bekannter zu machen. Unter anderem wurde beim Skandaløs-Festival ein Friesisch-Crashkurs gegeben, der sehr gut ankam. Demnächst soll ein Kurs für Sylter Friesisch stattfinden als Angebot für Schulklassen. Außerdem ist ein Online-Kurs in Arbeit. Und wir möchten die Präsenz in den sozialen Medien verstärken. Natürlich gucken wir auch gerne mal, was die Westfriesen in den Niederlanden oder die Sorben in der Lausitz machen.

Glauben Sie, dass die friesische Sprache eine Überlebenschance hat?

Friesisch wurde schon so oft tot gesagt. Diese Sprache ist etwas ganz Besonderes und wird bleiben!

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