Jazz und Geige – ein Widerspruch? Die deutsch-finnische Geigerin Laila Nysten zeigt, dass das Streichinstrument nicht nur im klassischen Genre zu finden ist. Im Rahmen der JazzBaltica 2024 gewann die 30-Jährige den IB.SH JazzAward.

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Sie haben bereits mit fünf Jahren angefangen, Geige zu spielen. Wie kam es dazu?

Als ich drei Jahre alt war, habe ich mein erstes Violinkonzert im Fernsehen gesehen. Seitdem wollte ich unbedingt Geige spielen. Durch meine Eltern, die beide Musiker*innen sind, kam ich sehr früh mit Musik in Berührung. Ich bin quasi unter dem Flügel aufgewachsen. Ich wollte aber ein anderes Instrument als meine Eltern spielen. Das war dann die Geige.

Geige wird eher mit klassischer Musik assoziiert. Wie kamen Sie auf Jazz?

Als Kind habe ich von meinem Patenonkel eine CD mit Swing aus den 30er Jahren bekommen. Die habe ich immer und immer wieder gehört. Da war eine Geige dabei, die improvisiert hat. Mir ist aber nie in den Sinn gekommen, dass ich das auch machen könnte. Während meines Bachelors in Schulmusik in Lübeck habe ich dann meine ersten Schritte Richtung Pop und Jazz gemacht.

Welche Schritte waren das?

Es gab in Lübeck immer ganz coole Projekte zusammen mit der Orgelabteilung. Es wurden zum Beispiel in größeren Kirchen Stummfilme aus den 20er Jahren gezeigt. Dazu haben wir Studierende live improvisiert, so wie früher in den Kinos, bevor der Tonfilm kam. Da habe ich aber nicht nach Jazz-Regeln improvisiert, sondern entweder klassisch inspiriert oder eben total frei. Das war richtig schön, weil ich gemerkt habe, ich kann einfach spielen, ohne dass es eine Vorgabe gibt.

Trotz klassischer Grundausbildung spielt Geigerin Laila Nysten inzwischen am liebsten Jazz.

Wie ging es dann weiter?

Dann kam vor vier Jahren der Lockdown. Auf einmal hatte ich ganz viel Zeit. Parallel gab es an der Hochschule ein Ehemaligentreffen. Da habe ich mit zwei anderen beschlossen, dass wir zusammen Musik machen wollen. Wir haben überlegt: Was könnten wir mit Gitarre, Geige und Klarinette machen? Wir haben uns für Jazz entschieden.

Was waren Highlights auf Ihrem bisherigen musikalischen Werdegang?

Während meines Bachelorstudiums habe ich das Indie-Pop-Duo Poems for Jamiro mitgegründet. Ein paar Jahre lang waren wir viel auf Tournee. Ein Highlight war für mich definitiv, dass wir in der Elphi in Hamburg spielen durften. Wir haben aber auch Konzerte in den USA und in Island gespielt. Das war eine sehr wichtige Zeit für mich, in der ich viel herumgekommen bin und viele Musiker*innen kennengelernt habe.

Was machen Sie aktuell?

Seit Oktober letzten Jahres studiere ich Jazz im Master in Hamburg. Das ist für mich ein wahnsinniger Glücksfall. Ich empfinde die Jazzszene in Hamburg als sehr offen und frei. Es gibt viel Vernetzung. So habe ich auch Nils Landgren kennengelernt, der mich auf die JazzBaltica mitgenommen hat und durch den ich für den IB.SH-JazzAward nominiert wurde.

Laila Nysten mit Nils Landgren, Jurymitglied und künstlerischer Leiter der JazzBaltica

… den Sie inzwischen auch gewonnen haben. Herzlichen Glückwunsch dazu! Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?

Dadurch, dass ich erst so richtig im letzten Jahr die Jazzwelt betreten habe, dachte ich, ich brauche noch ein bisschen Zeit, bis ich meine Arme ausstrecke und versuche, Wettbewerbe oder Preise zu gewinnen. Das war für mich gar nicht der Fokus. Aber da unterscheiden sich Klassik und Jazz grundlegend. Im Jazz geht es nicht so sehr darum, was man für eine Leistung erbringt, sondern eher, was man transportiert, was man für eine Persönlichkeit hat und wie man diese musikalisch herüberbringt. So hat sich dieser Preis auch angefühlt. Das gibt mir wahnsinnig viel Vertrauen, dass ich meinem Bauchgefühl folgen und musikalisch ausprobieren darf, wohin ich gehen möchte.

Was machen Sie als Ausgleich zur Musik?

Ich stricke und nähe für mein Leben gern. Ich bin da irgendwie so eine kleine Omi (lacht). Bei der Musik habe ich immer, wenn ich aufhöre zu spielen, nichts mehr in der Hand. Aber wenn ich mir zum Beispiel ein Kleid nähe, dann sehe ich nach fünf Stunden Arbeit, was ich geschafft habe. Ansonsten gehe ich gern auf lange Fahrradtouren, wenn das Wetter mitmacht. Sport als Ausgleich ist super wichtig. Gerade beim Geigespielen muss man sehr auf seinen Rücken aufpassen. Es tut gut, den Körper auf eine Art zu bewegen, die nicht nur Geigespielen ist.

Der IB.SH Jazzaward
Die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) setzt sich als zentrales Förderinstitut des Landes Schleswig-Holstein auch für eine lebendige und weltoffene Kultur ein. Besonders am Herzen liegt der IB.SH die Unterstützung des Kultur-Nachwuchses: Jedes Jahr wird der mit 5000 Euro dotierte IB.SH-JazzAward verliehen. Er würdigt das künstlerische Potenzial junger Jazz-Persönlichkeiten. Solokünstler*innen oder Gruppen, die im Vergabejahr des IB.SH-JazzAwards beim Festival auftreten, können ausgezeichnet werden. Über die jährliche Preisvergabe entscheidet eine fünfköpfige Fachjury. Der Preis wird seit 2008 vergeben.

Fotos: Marie Krahl (2) / JazzBaltica (1)

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