Der Verein Clowns ohne Grenzen reist in Krisengebiete und bringt die Menschen vor Ort nicht nur zum Lachen. Was Heiko Mielke alias Herr Heikel noch alles erlebt hat, verrät er Lebensart im Norden.
von Mirjam Stein
Es sind die kleinen Momente, die den Job als Clown für Heiko Mielke aus Loose bei Eckernförde so besonders machen. Vom Klassenclown wurde er zum Schülersprecher und schließlich zum Kassenclown bei den Clowns ohne Grenzen. Gemeinsam als Team fahren sie in Gebiete, in die sich keine Tourist*innen verirren. Über mehrere Wochen hinweg veranstalten sie Shows für die dortige Bevölkerung, bieten Workshops für die Kids an und coachen Multiplikator*innen, damit sie ihre wichtige Arbeit weitertragen. Sie bringen nicht nur die Kinder zum Lachen, sondern sorgen auch dafür, dass diese ihre Eltern wieder lachen sehen. Ihre Ziele befinden sich in „Krisengebieten“. Manche wurden von Naturgewalten getroffen, in anderen ist die humanitäre Lage prekär. Die Menschen sind teils von Armut und Stigmatisierung betroffen. Dennoch sprechen die Clowns ohne Grenzen ungern von Krisengebieten, denn die Menschen vor Ort nehmen ihre Situation anders wahr.
Mehr als nur eine Lachnummer
Heiko Mielke war bereits in Rumänien, Albanien, Peru, Südafrika, Jordanien, Kambodscha, Sri Lanka, in der Türkei und zweimal in Syrien. Im Juli 2017 gründete er mit weiteren Engagierten die Clowns ohne Grenzen Deutschland. Seitdem ist der Verein Mitglied der Clowns Without Borders International. Die Dachorganisation ist sogar ein beratendes Mitglied der UNESCO. Ein klares Ziel der ehrenamtlichen Mitglieder ist die Resilienzförderung. Es geht ihnen darum, die seelische Widerstandskraft der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zu stärken. Und dank langjähriger Erfahrung weiß Heiko Mielke: „Lachen ist eine universelle Sprache. Die funktioniert auf der ganzen Welt.“ Er spielt die gleichen Nummern in verschiedenen Teilen der Welt und die Menschen lachen überall über dasselbe.
Die kleinen Momente
Nach inzwischen 16 Reisen weiß Heiko Mielke, was auf der Bühne gut ankommt. Schadenfreude beispielsweise funktioniert immer. Begleitet von Jonglage, Zauberei, Akrobatik, Musik zum Mitklatschen und Mitsingen – natürlich ohne Verstärker, weil es in vielen Gegenden keinen Strom gibt – entstehen ganz besondere Momente für Clowns und Publikum. Und die sind auf ihre ganz eigene Art nachhaltig. Bei einem Besuch in Sri Lanka spielten die Kinder mit ihren Möglichkeiten vor Ort die Show nach, die zwei Jahre vorher gezeigt wurde. In Jordanien haben die Kinder vor dem Clownsbesuch Krieg gespielt. Danach spielten sie Clown.
Unterschiedliche Gegebenheiten vor Ort
Was einfach klingt, ist jedoch sehr durchdacht: Wenn man in verschiedenen Ländern unterwegs ist, gibt es verschiedene Sitten zu beachten. In afrikanischen Ländern sind die Clowns beispielsweise vorsichtig mit Zauberei, weil die Menschen dort an Voodoo glauben. Im arabischen Raum dürfen sich Männer und Frauen auf der Bühne nicht berühren. Die Clowns können außerdem nur wenig mit Sprache arbeiten, sodass Wortwitz auf Reisen nur bedingt funktioniert. Außerdem spielen sie nur mit roter Nase, weil rot-weiß-geschminkte Gesichter Ängste hervorrufen können. So schaffen sie es, mitreißende Shows für alle Menschen zu gestalten.
Der Mensch hinter der Clownsnase
Heiko Mielke ist geborener Lübecker und wohnt jetzt in Loose bei Eckernförde. Hauptberuflich arbeitet er als Kleinkünstler im Bereich Zirkus-, Theater- und Zauberpädagogik. Sieht man ihn gerade nicht bei einer Piratenshow, bringt er Erwachsenen die Zauberei als pädagogisches Medium näher. Insbesondere für Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen und Erzieher*innen ist Zauberei ein wirksames Kontaktmittel zu den Patient*innen. Ganz nebenbei eröffnet er mit seiner Lebensgefährtin am 1. April in Loose den Lindenhof ChezArtistes. Geplant sind Auftritte von kleinen und großen Künstler*innen sowie die Auslobung des Kleinkunstpreises „Looses Mundwerk“.
Für seine Shows schlüpft Heiko Mielke in verschiedene Rollen. Als Herr Heikel beispielsweise ist er ein tollpatschiger, über sich selbst hinaus wachsender und sich darüber wundernder Herr in den 60ern, depperter Neffe, Hausmeister und Feuerwehrmann oder Polizist. Mit seiner Art ruft Herr Heikel Staunen, Lachen und Verblüffen beim Publikum hervor.
Auf der Bühne ist Heiko Mielke aber der alleinige Depp. Wer bei ihm auf die Bühne geholt wird, geht als Held*in zurück ins Publikum. Er macht sich niemals auf Kosten seiner Freiwilligen lustig. Um Clown zu sein, muss der Künstler jedoch nicht erst in ein Kostüm schlüpfen. Der Clown steckt schon seit der Schule in ihm drin. Auch im Alltag sorgt er intuitiv für das ein oder andere Lachen, wenn er zum Beispiel im Supermarkt unterwegs ist. „Ich finde es total wichtig, dass in unserer Gesellschaft mehr gelächelt wird, auch wenn man sich nicht in einem geschützten Rahmen befindet“, erklärt Heiko. Die Frage, was denn einen guten Clown ausmache, kann Heiko Mielke ganz schnell beantworten, mit einem unerwarteten Ergebnis: „Respekt vor den Menschen!“.
Support für die Clowns ohne Grenzen
Freiwilliges Engagement geht nur mit Unterstützung – vor allem, wenn kulturelle und geografische Grenzen überschritten werden. Mit einer starken Community lässt sich die Vereinsarbeit noch besser umsetzen. Interessierte können beispielsweise Mitglied bei den Clowns ohne Grenzen werden und sich aktiv in den Verein einbringen. Über Spenden finanzieren die Clowns ohne Grenzen ihre Reisen in die Krisengebiete, Workshops und Projekte im In- und Ausland. Auch über eigene Benefizveranstaltungen können Gelder generiert werden.
Menschen, die schon Spielerfahrung als Clown haben, können auch mit auf Reisen gehen. Diese Entscheidung bedarf allerdings einer intensiven Bedenkzeit, denn die Reise in ein Krisengebiet ist kein Zuckerschlecken. Viele Clowns haben ein Helfersyndrom entwickelt und können die Erlebnisse nur schwer verarbeiten. Innerhalb der Gruppe finden im Anschluss Nachbesprechungen statt, um einen Kulturschock aufzufangen.
Mehr Infos finden Sie unter www.clownsohnegrenzen.org.