Vom Poetry Slam zum Kinderbuch

Von Mirjam Stein

Anzeige

Mona Harry ist seit 10 Jahren in der Slam-Szene aktiv und über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus bekannt. Im August gewann sie die SH-Meisterschaften im Poetry Slam beim Together Kiel Open Air. Mit ihren Texten begeistert sie nicht nur Erwachsene, sondern regt auch Kinder dazu an, kreativ zu sein.

Mona, du bist inzwischen nicht nur eine große Meisterin, sondern auch Landesmeisterin im Poetry Slam. Was ist dein Geheimrezept?

Nach dem ersten Poetry Slam, den ich in Hamburg gesehen habe, entwickelte sich bei mir eine wahnsinnige Hobbybegeisterung. Deshalb habe ich mich auch so übermäßig reingeworfen. Hätte ich mal den Stundenaufwand kalkuliert, wäre das niemals so gelaufen. Diese Begeisterung hat alles angefacht und getragen. Und dann die Momente auf der Bühne … wenn ein Text total gut funktioniert. Diese Momente machen süchtig.

Würdest du dich als Rampensau bezeichnen?

Ich bin es mehr geworden. Inzwischen gibt es auch Momente auf der Bühne, in denen ich mich locker und selbstbewusst fühle. Es sind nur kurze Momente, aber die hat es früher nicht gegeben. Und das ist auch das Tolle am Poetry Slam. Man muss keine Rampensau sein, um aufzutreten, sondern kann mit einem ganz leisen Text auf die Bühne gehen und trotzdem wahnsinnig schönes Feedback bekommen.

Du bist in die Slamszene eher reingerutscht. Wie kam es dazu?

Während meiner Abizeit hat mein Vater mir ein Video eines Poetry Slams gezeigt und zum Anfang meines Studiums im Herbst 2011 konnte ich mir in Hamburg durch Zufall eine Veranstaltung angucken. Ich fand Poetry Slam total cool und wollte das auch machen. In Hamburg gab es viele kleine Veranstaltungen, bei denen man als absoluter Rookie auch mal auf die Bühne darf. Ich habe mittelmäßig okay angefangen, würde ich sagen. Dann ist die Szene schnell zum Freundeskreis geworden und man gibt sich Textfeedback und wird langsam besser. So bin ich da reingewachsen.

Welche Themen sind dir bei deinen Texten besonders wichtig?

Meistens sind es Themen, die mich aktuell beschäftigen, oder Gedanken, die ich gerade interessant finde. Schreiben ist bei mir meistens auch ein Denkprozess. Der „Norden“-Text ist zum Beispiel während einer Tour durch Süddeutschland entstanden, bei der ich mich gefragt habe, warum ich nicht dort leben will, wenn das Wetter doch so viel besser ist. Meine Texte entstehen also häufig aus einer Frage heraus und mit dem Schreiben versuche ich mir diese selbst zu erklären. Und manchmal gibt es einfach alberne Ideen, die viel hergeben.

Was willst du mit deinen Texten beim Publikum erreichen?

Ich habe kein Ziel im Kopf. Manchmal erreiche ich vielleicht etwas, was ich gar nicht intendiert habe, und manchmal kommt auch ganz überraschendes Feedback. Mit einigen Texten möchte ich eine Haltung transportieren, sodass Leute auch mal auf diese Art über ein Thema nachdenken.

Mona Harry hat Kunst und Philosophie auf Lehramt studiert. Bei ihrer Arbeit kann sie ihre Interessen miteinander verbinden.

War das bei deinem Text „Brüste“ der Fall?

Ja, in dem Text „Brüste“ geht es darum, wie ich gelernt habe, meinen Körper und insbesondere meine Brüste schön zu finden. Und wenn ich mal eine Tochter habe, soll sie – nicht erst mit 28 Jahren – lernen, dass ihr Körper ein Wunder ist. Dieser Text war so persönlich, dass ich ihn erst schreiben konnte, als ich genügend Distanz zu dem Thema aufgebaut hatte. Viele Leute haben mir daraufhin gesagt, dass der Text ihre Perspektive geändert hätte. Dass sie das Thema so noch nicht gesehen hätten.

Du hast viele Texte für Erwachsene geschrieben und hilfst ihnen damit offensichtlich ein Stück weit. Aber in den letzten Jahren hast du auch für Kinder geschrieben. Was hat dich dazu inspiriert?

Ich arbeite seit ein paar Jahren bei dem Projekt „Philosophieren mit Kindern“, in dem wir verschiedene Aufgaben zum kreativen Schreiben ausprobieren oder in Kitas Workshops zum Geschichtenerfinden anleiten. Auch in der Oberstufe gebe ich viele Schreibworkshops, Philosophieren mit Kindern spricht aber primär Grundschulen an. Es ist wahnsinnig spannend, wie unterschiedlich die Kinder kreativ arbeiten und wie unbedarft teilweise jüngere Kinder sind. Man fragt sich noch, ob die Aufgabe zu kompliziert sei, und dann sprudeln sie schon über mit Ideen. Das macht sehr viel Freude. Und daraus ist auch mein erstes Kinderbuch „Mutproben“ entstanden.

Worum geht es in dem Buch?

Es geht darum, einen Muttrank zu brauen. „Mutproben“ ist in dem Fall ein Wortspiel, weil es um die Proben geht. Die Protagonistin geht in die Welt hinaus und fragt Tiere, was Mut ist. Und dabei stellt sich heraus, dass Mut ganz unterschiedlich sein kann, sich anders anfühlt oder anders riecht. Zum Schluss muss sie selbst mutig sein und so wird der Muttrank schließlich gebraut. Das erstaunliche diesem Buch ist, dass ich es eigentlich für Grundschulkinder geschrieben habe, aber auch jüngere Kinder schon gespannt zuhören, weil sie den Klang mögen, selbst wenn sie den Inhalt noch gar nicht verstehen. Gleichzeitig trage ich den Text regelmäßig auf Poetrybühnen vor und Erwachsene kommen erstaunlich gut damit klar, ein Kindergedicht vorgetragen zu bekommen.

Die Geschichte von den Mutproben regt wirklich zum Nachdenken und mutig sein an – nicht nur die Kinder. Im September ist dein zweites Kinderbuch erschienen. Worum geht es in „Die Dinge & wir“?

Es geht um die Dinge um uns herum und das seltsame Verhältnis, das wir zu ihnen haben. Dass sie uns natürlich sehr prägen und dass wir auch die Dinge prägen. Dieses Buch eignet sich sehr gut, um darüber zu philosophieren, welche Dinge uns wirklich wichtig sind und warum.

Apropos wichtig. Der Norden ist deine Heimat und in dem Text „Norden“ beschreibst du, wie wichtig dir deine Heimat ist. Welches ist dein Lieblingsplatz im Norden?

Ich bin wahnsinnig gerne in Strande am Strand, weil ich damit so viel verbinde und oft mit Freund*innen am Bülker Leuchtturm unterwegs war. Für mich ist ein Lieblingsplatz aber auch auf dem Fahrrad. Ich bin im Urlaub mit meinem Freund von Flensburg nach Halle gefahren und in Schleswig-Holstein waren die Radwege echt am coolsten mit den weiten Feldern. Und es gibt keine Berge, nur Hügel, die man runter rollen und mit genug Schwung wieder hochrollen kann.

Vorheriger ArtikelDas ist große Kunst
Nächster ArtikelOktober – nicht gegen Gold aufzuwiegen