Ich höre den Wind durch die Blätter der Bäume rascheln und die Vögel zwitschern. Ein paar Möwen schreien laut dazwischen. Am Horizont nehme ich ein paar Segelboote wahr, neben mir glitzern und plätschern die Wellen der Ostsee, die mich mal mehr, mal weniger sanft schaukeln. Ich befinde mich im Yogi-Sitz auf einem Surfbrett, mit dem man sonst die gerade angesagte Sportart Stand Up Paddling (SUP) betreibt. Jetzt soll ich meinen Rücken gerade strecken, mich lang machen, tief ein- und ausatmen und die Augen schließen. Schon fühlt sich die Wellenbewegung intensiver an, auch das Wasserplätschern um mich herum nehme ich noch intensiver wahr. Ich spüre, wie sicher mich das Brett auf dem Wasser trägt und kann mich langsam entspannen.
Ganz ungewohnt fühle ich mich in dem engen Neoprenanzug. Meine Arme scheinen zu kurz, um das breite SUP-Brett lässig ins Wasser zu tragen. Dazu balanciere ich noch das Paddel, was ich nicht verlieren möchte. Erst knie ich noch, dann kommt schließlich der wackelige Stand auf dem Brett, welches von den Ostseewellen der Kieler Förde ordentlich hin und her schwankt. An einem Seil werden die Bretter eingeklingt, damit wir nicht abtreiben. Trotzdem bleiben bei mir Zweifel: Ob ich hier wirklich den hinabschauenden Hund hinkriege? Oder wird es eher die abtauchende Speckrobbe…?
Asanas auf den Wellen statt auf der Matte
Die Surf-und SUP-Schule Westwind am Falckensteiner Strand in Kiel bietet neben Surf- und SUP-Kursen auch SUP-Yoga an. Die ausgebildete Yogalehrerin Britta Karius gibt den intensiven Unterricht mitten auf dem Wasser. „Als ich das erste Mal auf einem SUP-Brett stand, habe ich sofort intuitiv ein paar Yogaübungen gemacht und war begeistert“ beschreibt Britta Karius. Sie war sogar so begeistert, dass sie dem Besitzer der Surfschule Westwind, Volker Schöttke, regelmäßige Yogastunden auf dem Wasser anbot. Der fand die Idee klasse und nun werden seit drei Jahren auf der Kieler Förde Hunde, Kamele und Heuschrecken geturnt.
„Yoga auf dem Wasser ist etwas völlig anderes als auf der Matte“, sagt Britta Karius. „Man ist nicht nur auf sich gestellt, sondern muss sich der Natur, dem Wind und den Wellen anpassen. Dieses Erlebnis, Yoga mitten in den Elementen zu üben, ist einzigartig entspannend. Gleichzeitig trainiert der bewegliche Untergrund die ganze Zeit über die Tiefenmuskulatur des ganzen Körpers. Das Schöne beim Yoga ist ja, dass jeder so weit geht, wie es ihm gerade möglich ist. Auch SUP-Yoga ist für jeden geeignet, von zehn bis 80 Jahren.“
Die komplette Ausrüstung vom Brett und Paddel bis zum Anzug stellt die Surfschule Westwind. Das macht ein Training bei fast jedem Wetter möglich. „Wir hatten schon wunderbare Stunden im Regen“, erzählt die Yogalehrerin. „Lediglich bei Gewitter und starkem Sturm gehen wir nicht auf´s Wasser.“
Zitternde Muskeln und ein euphorischer Geist
Ich habe mittlerweile Vertrauen zum Brett, den Wellen und meinem Körper gefunden. Meine Bewegungen werden fließender, mein Geist beruhigt sich. Ab und zu werde ich ein kleines bisschen seekrank, aber wie auf einem Boot lindert ein Blick auf den Horizont dieses Gefühl. Alle Übungen, die man im Vierfüßlerstand oder aus diesem heraus macht, bringen Stabilität. Sogar in den Schulterstand traue mich mich, es fühlt sich erstaunlich sicher an. Ganz anders dagegen der einfache Stand – die Balance zu halten und sich langsam aufzurichten braucht viel Kraft. Schon bald zittern meine Knie. Ich bin froh, als wir uns lang ausgestreckt auf das Brett legen, das Gesicht der Sonne entgegen strecken und Britta die Abschlussentspannung beginnt.
Zurück am Strand bin ich schon geschafft – 480 verbrauchte Kalorien zeigt mir meine Sportuhr an. Gleichzeitig fühle ich mich wunderbar euphorisch – denn kraftvolle Yogaübungen mit Blick auf Strand, Sonne und Meer zu machen, das ist schon etwas ganz Besonderes.