Als ich ihn auf seiner Plantage im idyllischer Schwentinetal besuche, zeigt er mir im schmucken Hofladen erstmal die Früchte der neuen Ernte. Sie sehen aus wie von einem alten Meister gemalt, wie ein Stillleben aus dem 17. Jahrhundert: purpurrote, goldene, gelbe, dunkelgrüne, gestreifte, gepunktete, melierte, kleine, große, fleckige, raue, keiner wie der andere. Auf nur 7 Hektar werden 90 Sorten angebaut. Hier kann der Apfelliebhaber auch noch die Äpfel seiner Kindheit entdecken, zum Beispiel den „Herbstprinz“ mit seiner robusten Süße oder den purpurroten „Cousinot“, den traditionellen Weihnachtsapfel. 2015 übernahm Tochter Doris den Betrieb. Auch sie setzt auf Sortenvielfalt, Direktvermarktung, den kleinen, feinen Hofladen und die angeschlossene Mosterei. In vielen Kulturen ist der Apfel ja ein Symbol für Sinnesfreude und Fruchtbarkeit. Wer ihren Apfelsaft probiert, der versteht zumindest dass mit der Sinnesfreude sofort.
Apfelvielfalt
Nach einigen Jahren in der Entwicklungshilfe übernahm der studierte Garten- und Obstbauer mit seiner Frau 1979 den Hof der Eltern und baute den Milchviehbetrieb zu einer Obstplantage um. „Ich bin ein Freigeist, hier konnte ich mich frei entfalten“, erzählt er freimütig. Die ersten Obstbäume hier im geschützten Tal wurden noch vom Werftbesitzer Howaldt angepflanzt. Seine Liebe galt dem Pomologen schon immer den alten Apfelsorten wie dem Herbstprinz mit seiner robusten Süße oder dem purpurroten Cousinot, dem traditionellen Weihnachtsapfel. Beim Erzählen kommt Schuster so richtig ins Schwärmen. Zum Beispiel über den 1860 in Finkenwerder als Zufallssämling entdeckten Herbstprinz: „Er wächst noch in vielen Gärten, ist aber als Nischenapfel vom Aussterben bedroht“, beklagt Schuster, dabei ist der Herbstprinz doch typisch norddeutsch: bescheiden und bodenständig. Wie viele alte Sorten ist er keine Schaufrucht, die mit ihrem Äußerem über den dürftigen Geschmack hinwegtäuscht. Der Prinz hält, was er verspricht. Er birgt in sich die Aromen eines norddeutschen Sommers und verfügt über eine robuste Süße, die sich harmonisch mit einer leichten Säure verbindet. „Dieser Apfel braucht das raue nordische Klima“, resümiert er und erklärt mit Nachdruck: „Eine richtige norddeutsche Spezialität.“
Die Heimat stärken
Ernst Schuster war Mitbegründer der Genossenschaft AKOWIA, die sich für den Erhalt von Streuobstwiesen einsetzt, initiierte Apfeltage, war am Anfang bei Feinheimisch dabei (dort hatten die Produzenten für ihn gegenüber den Köchen zu wenig Gewicht) und gründete 2013 mit Mitstreitern den Verein „Nordbauern“. Es ist ein regionaler Gegenentwurf zur industriellen Landwirtschaft: Die Bauern in Schleswig-Holstein wollen ihre Produkte verstärkt direkt in der Region vermarkten, an kleine Läden und Restaurants liefern und eine politische Stimme haben. Regionalität ist ein Megatrend und doch schwer umzusetzen, da die üblichen Handelsstrukturen die Großen bevorzugen. „Besondere Ware braucht besondere Beratung“, sagt Schuster. „Zum Glück gibt es wieder Verbraucher, die das Besondere suchen und an den Produktionsprozessen interessiert sind.“ Nach Ansicht von Landwirtschaftsminister Robert Habeck äußert sich in der Stärkung der Direktvermarkter auch das Heimatbewusstsein, ja sogar „so etwas wie SH-Patriotismus“. Ernst Schuster drückt es weniger pathetisch aus: „Es ist ein Stück weit eine Gegenbewegung zur Entfremdung zwischen Verbrauchern und Produzenten“. Für beide ist die Stärkung der traditionellen bäuerlicher Landwirtschaft auch eine ethische Frage.
So laden die 35 Mitglieder auch Kindergärten und Schulklassen auf ihre Höfe. Die pädagogische Arbeit ist Ernst Schuster sehr wichtig. „Wir müssen unbedingt mehr gegen die Fastfoodisierung der Gesellschaft tun“, ist er überzeugt.
Um die Lieblingsfrucht der Deutschen ranken sich zahlreiche Mythen und Sagen. Der Volksmund dichtet: „Ein Apfel täglich, keine Krankheit quält dich.“
Vielleicht liegt hierin die Energiequelle von Ernst Schuster für seine vielfältigen Aktivitäten. Als Anführer der Nordbauern will er es nochmal wissen. Den kleinen Landwirten im Norden ein Stimme geben. Leidenschaftlich plädiert er für eine Trennung zwischen industrieller und bäuerlicher Landwirtschaft (auch in Sachen Förderung). Da scheint mir der Apfel als Symbol genau richtig. Steht er doch für Liebe (Liebesapfel) und Streit (Zankapfel). Ernst Schuster kann beides und beißt beherzt in Elise, momentan sein Lieblingsapfel.
Obstquelle Schuster, Rastorfer Mühle, 24223 Schwentinetal
Tel. 04307/294, www.obstquelle.de, www.nordbauern.de