Mareike Brede ist Sexualpädagogin, erfolgreiche Influencerin und bald Dreifach-Mama. Auf Instagram teilt die 32-jährige Schleswig-Holsteinerin wichtige Inhalte über sexuelle Aufklärung und macht damit Eltern und Kinder stark.
Liebe Mareike, ab wann sind wir sexuell?
Menschen sind von Geburt an sexuelle Wesen, wenn man diesen Begriff „sexuell“ ganz weit definiert und nicht nur an „Sex gleich Geschlechtsverkehr“ denkt. Sexualität ist einfach ein zentraler Bestandteil unseres Lebens und meint eben viel mehr als nur Fortpflanzung. Es geht dabei unter anderem auch um den Körper, Gefühle, Beziehungen und die eigene Identität. Der Begriff ist also viel komplexer und vielseitiger, als man zunächst annimmt. Sexualität begleitet uns von Anfang bis zum Ende unseres Lebens. Nur unterscheidet sich kindliche Sexualität natürlich von der Sexualität Erwachsener. Bei Kindern geht es viel um Neugierde und das Entdecken und Erforschen.
Ab welchem Alter sollte man Kinder aufklären? Und was bringt es ihnen?
Aufklärung ist so viel mehr als das klassische Aufklärungsgespräch über Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft, das so viele von uns kennen, wenn sie als Teenager an den Küchentisch gesetzt wurden mit den Worten: „So, jetzt muss ich dir mal was erzählen.“ Aufklärung fängt schon mit Körperwissen an: Wie heißen welche Körperteile? Wer darf eigentlich wo berühren? Wo sind unsere persönlichen Körpergrenzen? Besonders wichtig ist hier das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Auch das Thema Gefühle – oder dass es gute und schlechte Geheimnisse gibt. All das sind Themen, die wir mit unseren Kindern von Anfang an besprechen sollten und sie damit auch vor sexuellem Missbrauch schützen. Aufklärung ist also Prävention! Es gibt demnach kein Alter X für Aufklärung, sie sollte im besten Falle von Anfang an ganz beiläufig in den Alltag integriert werden.
Und wie gehe ich das am besten an?
Das geht ganz einfach, zum Beispiel schon am Wickeltisch, indem ich meinem Baby meine Handlung erkläre: „Ich wische deinen Popo ab und mache dann die Vulva sauber.“ So wachsen sie von Anfang an mit den richtigen Begriffen auf und es wird zu etwas ganz Selbstverständlichem. Kinder stellen gerne auch Fragen, denn sie sind von Natur aus neugierig und wollen irgendwann wissen, was der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen ist oder wie die Babys in den Bauch kommen. Kinder haben das Recht auf wahrheitsgemäße Informationen! Wenn das Kind also eine Frage stellt, dann ist es auch reif genug für eine altersgerechte Antwort, und da braucht man keine Scheu zu haben. Denn damit befähigt man seine Kinder, über ihren Körper zu entscheiden, ein Körpergefühl zu haben, Selbstwert zu entwickeln, und gibt ihnen ganz viel für ihre sexuelle Gesundheit mit. So haben Studien beispielsweise bewiesen, dass aufgeklärte Jugendliche später ihre ersten sexuellen Erfahrungen machen und dabei auch verantwortungsbewusster verhüten.
Wie sollte deiner Meinung nach Sexualkunde im Schulunterricht aussehen?
Auf jeden Fall interessenskonform. Ich empfehle beispielsweise gern, eine Fragebox aufzustellen und den Kindern damit die Chance zu geben, anonym ganz offen Fragen zu stellen. Damit erkennt man schnell, wo die Kinder gerade stehen und was sie interessiert. Und diese Fragen beantwortet man dann offen und ehrlich. Sinnvoll finde ich auch, externe Sexualpädagog*innen ins Boot zu holen und sexualpädagogische Veranstaltungen anzubieten, wobei der Unterricht keinesfalls nach hinten fallen und ausschließlich ausgelagert werden sollte. Wichtig ist, dass aktuelle Lehrmaterialien verwendet werden, auf korrekte Sprache geachtet wird – also nicht nur von der Scheide, sondern auch von der Vulva und damit der korrekten Anatomie gesprochen wird. Und Mythen, wie dass das Jungfernhäutchen ein Indiz für Jungfräulichkeit wäre, beiseite geschoben werden. Dass rechtzeitig – am besten schon in der Grundschule – über die Pubertät aufgeklärt wird. Auch das Thema sexuelle Vielfalt sollte nicht zu kurz kommen, sodass Kinder und Jugendliche Informationen über unterschiedliche sexuelle Orientierungen und Identitäten erhalten.
Viele Menschen sind sehr schambehaftet und meist unzureichend aufgeklärt aufgewachsen. Wie können wir den Mut finden, offen über Sexualität zu sprechen?
Das geht ganz vielen so, eben weil Sexualität nach wie vor ein Tabuthema ist. Es ist ein Prozess, den Mut zu finden, darüber zu sprechen. Es ist also nicht verwerflich, wenn es einem schwerfällt. Ich finde wichtig, dass man sich reflektiert und sich bewusst macht, wie wichtig Aufklärung ist. Dass man sein Kind damit schützen kann, denn Prävention ist so wichtig, gerade hinsichtlich sexueller Gewalt. Mit diesem Wissen sollte man sich für das Wohl seines Kindes dem Thema annehmen, sich in Form von Büchern oder Beratung Unterstützung nehmen und nicht sagen: „Nee, ich traue mich nicht, darüber zu sprechen.“
Du teilst auf deinem Instagram-Kanal viele spannende Inhalte. Warum ist gerade Social Media so eine gute Plattform dafür?
Social Media erreicht viele Menschen, die vielleicht aus Scham nicht auf Infoveranstaltungen im realen Leben gehen würden. Die Anonymität des Internets ist da ein großer Vorteil, auch wenn die Instagram-Richtlinien große Schwierigkeiten bereiten. Ich muss in meinen Aufklärungsvideos leider viel zensieren, damit die Videos auch ausgespielt werden, da Instagram zum Beispiel nicht differenziert, ob es um sexuelle Bildung oder andere Inhalte geht. Aber weil mir das Thema so am Herzen liegt und ich schon sehr viele Menschen erreicht habe, denen ich Scheu und Scham davor nehmen konnte, das Tabu zu brechen und offen mit ihren Kindern zu sprechen und sie von Anfang an aufzuklären, wird mich auch keine Zensur von Wörtern wie Vulva, Penis oder Sex davon abhalten, weiterzumachen.
Das Interview führte Natalie Zahnow.
Sexklärt
Auf ihrem Instagram-Kanal @die.mamareike begeistert Mareike Brede fast 100.000 Menschen. Unverblümt, humorvoll und nahbar klärt die Sexualpädagogin über wichtige Themen rund um Sexualität auf. Auf ihrer Website gibt es neben Buchempfehlungen für Groß und Klein auch aktuelle Lehrmaterialien. Instagram: @die.mamareike
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