In Falckenstein werden neue Bojen gesetzt, denn der Sommer nimmt allmählich Fahrt auf. Beim Anblick der glitzernden Wasseroberfläche möchte man am liebsten mit einem eleganten Fußsprung in die Ostsee hüpfen. Die derzeitige Wassertemperatur ist allerdings eher etwas für Hartgesottene. Noch! Da nun aber die Badegäste langsam in die Startlöcher gehen, tun dies auch die Rettungsschwimmer. So wie Christoph Freier (28), der uns heute – sozusagen in Doppelfunktion – einen Einblick in seinen Arbeitsalltag gibt: Der hauptberufliche Rettungssanitäter ist heute im Bereitschaftsdienst. Doch solange kein Einsatzanruf eingeht, können wir einen Blick hinter die Kulissen der DRK Wasserwacht werfen, für die er ehrenamtlich tätig ist.
Mit fünf Jahren hatte er stolz sein Seepferdchen-Abzeichen in Empfang genommen. Der Anfang seiner Laufbahn als begeisterter Wettkampfschwimmer war geschafft! So erklärt sich auch, dass er die folgenden Abzeichen zwischen Freischwimmer und Gold überspringen und 2007 direkt die Prüfung zum Rettungsschwimmer ablegen konnte. Die ersten Einsätze absolvierte Christoph Freier noch in seiner thüringischen Heimat, bis ihn sein Theologie-Studium an die norddeutsche Waterkant führte. Seit 2008 sind nun regelmäßig die Ostsee und die Kieler Strände sein Arbeitsplatz.
Rettungsschwimmabzeichen werden durch die Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) oder den Wasserrettungsdienst des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) abgenommen.
An den Kieler Stränden ist mittlerweile ausschließlich die DRK Wasserwacht im Dienst. Der Saisonstart fällt traditionell auf den ersten Kieler-Woche-Sonntag. Für das Segel-Großevent ist zwar ein Team aus 80 Rettungsschwimmern im Einsatz, danach sichern bis zum Saisonende im September maximal 29 Fachkräfte in jeweils einwöchigen Wachtörns die fünf Strände am West- und Ostufer. Da die Jobs deutschlandweit ausgeschrieben werden, kommen für diese elf, zwölf Wochen Rettungsschwimmer aus allen Bundesländern zusammen, um hier gemeinsam zu arbeiten. Der klassische Tagesablauf startet mit dem gemeinsamen Frühstück um acht Uhr in der Wasserwacht-Station, direkt an der Falckensteiner Strandpromenade. Halb neun ist Aufbruch zu den Stränden – für die Ostufer-Teams geht’s per Motorboot über die Förde. „Gerade gegen Mittag wird es voll an den Stränden“, sagt Christoph Freier, „da sind dann auch unsere kleinen Wachtürme besetzt. Und auch wenn die Sonne mal eine Pause einlegt, gibt es immer genug zu tun, vom klar Schiff machen in der Wasserwacht, über Einkäufe für unsere Verpflegung bis hin zu Fortbildungsmaßnahmen.“ Dienstende ist jeden Tag um 18 Uhr, verschiebt sich aber durchaus auch mal nach hinten, wenn zum Beispiel in Falckenstein noch Strandpartys stattfinden. Denn wie jeder wissen sollte, verträgt sich Schwimmengehen nicht mit einem vollen Magen, geschweige denn mit Alkohol.
Aus einer falschen Selbsteinschätzung heraus ergibt sich ein Großteil der Gefahrensituationen. Auch auf Seiten des „Rettlings“, wie Christoph Freier selbst sagt: „Eine gesunde Selbsteinschätzung ist in unserem Job weitaus wichtiger, ja sogar deutlich besser als Mut. Neben einer gewissen körperlichen Leistungsfähigkeit gehört sie neben Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit zu den wichtigsten Eigenschaften, die du mitbringen solltest. Mit der Qualifikation als Rettungsschwimmer wächst die Verantwortung – und somit auch ein gewisser Druck. Dauerhaft ist das mit Sicherheit nicht das Richtige für jedes Gemüt.“ Auf die Frage, ob er bei einem Strandbesuch in seiner Freizeit oder im Urlaub auch mal richtig abschalten könne oder doch immerzu mit Argusaugen die Küste nach Gefahrensituationen scanne, räumt er ein: „Man hat tatsächlich einen anderen Blick aufs Wasser. Abgesehen davon verpflichtet mich meine Qualifikation zur Hilfeleistung, ob ich im Dienst bin oder nicht.“
Während der Schwimmsport kein Nachwuchsproblem beklagen muss, hat das Ehrenamt heute einen zunehmend schweren Stand. Gerade Jugendliche sehen wenig Anreiz darin, sich gegen eine geringfügige Aufwandsentschädigung als Saisonkraft bei den Wasserwachten zu bewerben. „Obwohl das Gemeinschaftserlebnis innerhalb der Truppe und das Gefühl, etwas für andere Menschen tun zu können, doch der beste Anreiz sind.“ Und als hätten wir die Antwort schon erahnt, können wir uns die abschließende Frage nicht verkneifen, ob er denn früher Baywatch geguckt hätte. „Klar!“ Christoph Freier lacht. „Vorletztes Jahr haben wir mit dem ganzen Rettungsschwimmer-Team das Remake im Kino gesehen. Zugegeben, keine Perle der Filmgeschichte, aber das musste einfach sein!“