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von Andrea Henkel

Föhr: Steife Meeresbrise, raues Nordseeklima – und mitten im Watt ein Weingut: Unmittelbar am feinsandigen Strand des Friesendorfes Nieblum befindet sich seit 2009 das Weingut Waalem. Hier trotzt das Team Wind und Wetter und produziert Jahr für Jahr köstliche Tropfen. Jetzt, Anfang Oktober, ist Lesezeit.

Wie so viele gute Gedanken entstand auch der Plan, auf Föhr Wein anzubauen, an einem geselligen, red- und vielleicht auch etwas weinseligen Abend. „Bei einer Diskussion über den Klimawandel kam das Thema Weinbau plötzlich auf. Irgendwie saßen an diesem Abend die richtigen Leute zusammen, und so wurde die Idee geboren”, erzählt Rainer Roeloffs. Er kümmert sich auf dem Weingut unter anderem um die Finanzen. Die größte Herausforderung beim Weinanbau auf Föhr ist das Wetter. Ja, die Friesische Karibik ist eben wunderschön, aber klimatisch nicht unbedingt mit dem Rheingau vergleichbar. „Hier im Norden ist es natürlich deutlich nasser und kälter als in süddeutschen Anbaugebieten. Das ist dem Wein im Grunde nicht wirklich zuträglich”, erklärt Roeloffs. Trotzdem setzte ein kleines Team um Landwirt Christian Roeloffs 2009 mutig sowie durch Knicks und Bäume vor dem oft rauen Inselwind geschützt die ersten Reben. Nach einigen Überlegungen und fachkundiger Beratung durch einen Winzer aus Süddeutschland fiel die Entscheidung auf die Sorten Solaris und Johanniter. Diese sind besonders robust und widerstandsfähig gegen Pilzbefall und können so dem Nordseeklima bestens trotzen. Drei Jahre lang wurden die Reben gehegt und gepflegt – so lange dauert es, bis sie die ersten ernte- und produktionsfertigen Trauben hervorbringen. Schließlich ergriff dann Sohn Lenz Roeloffs den Beruf des Winzers. Auf die Ausbildung in Rheinessen-Nahe sattelte er noch ein Studium der Internationalen Weinwirtschaft an der Hochschule Geisenheim auf. Aktuell sammelt er auf Weingütern in Frankreich wertvolle Erfahrungen, die er dann schon bald auf dem Weingut Waalem einsetzen möchte.

Von der Rebe bis zur Flasche

Mittlerweile ist das Sortiment deutlich gewachsen. Genau wie die Anbaufläche, die peu à peu von ursprünglich zwei auf mittlerweile sechs Hektar ausgeweitet wurde. Die Flächen befinden sich in Alkersum und Nieblum. Der Weg von der Rebe bis in die Flasche ist arbeitsintensiv. „Die Vorbereitungen fangen schon im Winter an, dann müssen die Reben zurückgeschnitten werden, damit sie im Folgejahr wieder gut wachsen”, erzählt Lenz Roeloffs. In der Wachstumsperiode sind intensive Pflegearbeiten nötig, um die Qualität der Ernte sicherzustellen. Geerntet wird meist Anfang Oktober. Mehrere Tage lang haben dann zehn bis 20 Helfer:innen im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun, denn die Lese erfolgt komplett von Hand und ohne Hilfe von Maschinen. Im Weinkeller in Alkersum wird der Wein dann vergoren und um Ostern herum in Flaschen abgefüllt – im vergangenen Jahr waren es stolze 17.000 Liter. „Und das ist nur die Menge von drei Hektar. Etwa die Hälfte der Reben ist noch zu jung, um Ertrag zu bringen”, betont Roeloffs. Vier Sorten Wein mit dem Eisbären, dem Symbol des Weingutes Waalem, sind mittlerweile im Handel erhältlich, darunter drei Weißweine (Waalem Kul, Waalem Réserve, Fering Dringer) und ein Rosé (Fering Foomen). Zukünftig soll auch noch ein Rotwein dazu kommen – eine Herausforderung, brauchen dessen Trauben doch wesentlich mehr Sonne. 

Weinbauer Christian Roeloffs und Sohn Lenz

Hundert Prozent Föhr

Von der Rebe bis zum Verkorken der Flaschen sind die Weine „hundert Prozent Föhr” – das ist den Roeloffs wichtig. Ein Sekt, der Waalem Brut, dessen Trauben ebenfalls auf der Insel wachsen, wird derzeit auf dem Festland produziert, da auf Föhr noch die technischen Voraussetzungen fehlen. Aber auch das soll sich in näherer Zukunft ändern. „Kurze Transportwege und der regionale Gedanke sind uns extrem wichtig”, erzählt Rainer Roeloffs. Auf der Insel
gibt es mittlerweile ein Netzwerk von 20 bis 30 Geschäften, die die Spezialitäten verkaufen – vom Schlachter über den Lebensmitteleinzelhändler bis hin zum Weinfachhandel. Und auch auf der Nachbarinsel Amrum und dem Festland erfreuen sich die Föhrer
Rebsäfte wachsender Beliebtheit. Neueste Errungenschaft des Weinguts ist eine Destille, mit der das Team seit 2021 auch Gin und Apfelbrand produziert. Außerdem wurde in diesem Jahr ein neues Produkt eingeführt: Den Vermouth by Waalem gibt es in White
und Red.

Weinführungen mit Verkostung

Wer sich den Weinanbau auf Föhr einmal mit eigenen Augen ansehen möchte, kann das auf einer der Führungen tun. Im Sommer gibt es regelmäßige Termine, interessierte Gruppen können aber auch individuelle Führungen vereinbaren. Spätestens wenn man dann auf der Empore am Weingut steht, den Blick über die Reben und das Wattenmeer schweifen lässt und dazu die köstlichen Spezialitäten genießt, weiß man: Weinbau auf Föhr ist einfach eine geniale Sache! Ende 2023 steht übrigens der nächste Meilenstein bevor: ein neues Besucherzentrum mit Shop, Produktions- und natürlich Verkostungsräumen. 

Weitere Infos:
www.weingut-waalem.de
www.weinhaus-shop.de

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