
Der 1967 geborene österreichische Schriftsteller Franz Stefan Griebl, der seine Werke unter dem Künstlernamen Franzobel veröffentlicht, hat in den letzten Jahren insbesondere als Autor von historischen Romanen wie „Das Floß der Medusa“ und „Einsteins Hirn“, die auf realen Ereignissen basieren, große Bekanntheit erlangt. In „Hundert Wörter für Schnee“ rückt er die Zeit um 1900 und die „vermeintliche“ Eroberung des Nordpols durch Robert E. Peary in den Mittelpunkt eines großartigen Romans. Bei Franzobel versucht Peary wie ein Besserer den Nordpol im Rahmen von mehreren in Grönland startenden Expeditionen zu erreichen. Aber das ist nur die eine Seite des Buchs, welches insbesondere das Schicksal der Inughuit, der Ureinwohner Grönlands, in den Fokus rückt. Peary nutzt sie auf seinen Reisen als Begleiter aus, bringt fünf Inughuit in die USA, wo bis auf einen alle sterben und als Ausstellungsstücke im Museum landen. Außerdem raubt er drei den Inughuit heilige Meteoriten, die er ebenfalls in die USA schafft. Einen weiteren Menschen, nämlich Frederic Cook, der ebenso wie Peary behauptet, den Nordpol erreicht zu haben, ruiniert er gleichfalls. Minik, der fünfte als Kind nach Amerika gebrachte und überlebende Inughuit, wird dort erzogen und damit seiner Heimat sowie Herkunft entfremdet. Er endet als ein entwurzelter und unglücklicher Mensch. Dieses sind nur wenige der vielen Protagonisten in „Hundert Wörter für Schnee“, die Franzobel in seinem eindrucksvollen und sprachmächtigen Roman vor den Augen der Lesenden wieder zum Leben erweckt – wie auch die armlose, flossenbestückte Meergöttin Segna. (hb)

Franzobel hat mit „Hundert Wörter für Schnee“ einen erstklassigen historischen Roman geschrieben, der unterhaltsam, vergnüglich und fesselnd ist – und mit Grönland und dem Kolonialismus auch noch einen hochaktuellen Bezug zur Gegenwart hat.