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Helmut und Hannelore „Loki“ Schmidt wären jetzt beide 100 Jahre alt, und beide leben in unseren Köpfen und Herzen weiter. In Hamburg erinnert viel an die beiden Ehrenbürger – gehen Sie auf Entdeckungstour! 

Die Schmidts 1972 in ihrem Ferienhaus in Langwedel am Brahmsee (Foto und Copyright: J.H. Darchinger)

Flughafen, Fuhlsbüttel: 

Welcome to Hamburg Airport Helmut Schmidt! Wer in HAM landet, abhebt oder jemanden abholt, wird von einem lachenden Herrn Schmidt mit Elblotsenmütze begrüßt. Seit 2016 würdigt der Flughafen seinen früheren Aufsichtsrats-Ehrenvorsitzenden nicht nur im Namenszusatz und mit großen Porträt­schildern, sondern auch mit einer Ausstellung im Terminal 2: Sie stellt den Staatsmann, den Hamburger Bürger, Flughafennachbarn und Unterstützer der Luftfahrtindustrie vor. Anfang der 1950er-Jahre legte Schmidt – damals Leiter des Amts für Verkehr – den Grundstein für den erfolgreichen Luftfahrt­standort Hamburg. So setzte er sich dafür ein, dass die nach dem Krieg neu gegründete Deutsche Lufthansa und ihre technische Basis einen geeigneten Standort am Flughafen erhielten. 

Am 23. Dezember 2018 wäre Helmut Schmidt 100 Jahre alt geworden, dazu serviert die Ausstellung 100 unterhaltsame Anekdoten, von seiner Vorliebe für Labskaus bis zum fernsehfreien Tag … aber verpassen Sie nicht Ihren Flug!

Neubergerweg, Langenhorn: 

Die Schmidts wohnten seit 1961 nur etwa vier Kilometer Luftlinie vom Flughafen entfernt. Keine feine Adresse, kein repräsentatives Anwesen – sie waren zeitlebens geerdet. Laut ihrem Testament sollte das Wohnhaus unverändert erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Seit Frühjahr 2019 können Fans und Neugierige eine Führung buchen und Helmut und Loki sozusagen privat besuchen. Es scheint, als wären sie immer noch da! So ist der Arbeitsplatz des Hausherren noch genauso bestückt, wie er ihn hinterlassen hat. Unter anderem mit Kerzen, mit Spiegel und Rasierzeug für den gepflegten Mann, einem Set grüner Filzstifte zur Textkorrektur – und natürlich Fluppen, Feuerzeug und Schleuderaschenbecher.

Literatur, Kunst, Schach, Musik … Der Blick ins Wohnzimmer verrät einiges über das Jahrhundert-Paar. (Foto: FILMREIF PICTURES)

Das Haus wirkt auch deshalb so belebt, weil es voller persönlicher Erinnerungsstücke steckt. Die Schmidts sammelten leidenschaftlich vor allem Kunst und Literatur, aber auch Nippes. Bilder und Bücher zieren die Wände von oben bis unten, noch freie Zentimeter wurden mit Figuren, Vasen und anderen Objekten dekoriert. Auch die hauseigene Seemannskneipe „Ottis Bar“ hat es in sich. Man malt sich aus, wie hier die Gäste der legendären „Freitagsrunde“, darunter Politiker, Wissenschaftler und Künstler, bei einem Drink diskutierten.

16. Mai 1974: Helmut Schmidt bei seiner Vereidigung zum fünften Bundeskanzler (Foto: Sven Simon)

Helmut-Schmidt-Forum, Altstadt:

Im Kattrepel sitzt die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung. Diese würdigt die historischen Verdienste Schmidts und will Themen, die ihn bewegten, in die Zukunft tragen. Im Helmut-Schmidt-Forum im Erdgeschoss zeigt die Ausstellung „100 Jahre in 100 Bildern“ (bis 31. Oktober) die vielen Gesichter und Facetten des Hamburgers. Im Kapitel Kindheit sticht ein Bild von 1928 hervor: Nur ein Mädchen hatte Helmut zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen, das alle Jungs körperlich überragt und keck in die Kamera blickt: Loki Glaser. Die zwei hatten sich an der reformpädagogischen Lichtwarkschule in Winterhude kennen gelernt. 

Auf dem Hochzeitsfoto von 1942 trägt sie ein weißes Kleid und Blumen im Haar, er seine Soldatenuniform. Nach dem Krieg trat Helmut Schmidt in die SPD ein und studierte Volkswirtschaftslehre und Staatswissenschaft. Viele Motive aus seiner politischen Laufbahn 1946 bis 1987 erzählen von prägenden Ereignissen: Schmidt 1962 als Hamburger Innensenator und Krisenmanager der Sturmflut. Oder Kanzler Schmidt 1975 auf der KSZE-Konferenz in Helsinki, als er sich gerade zurücklehnt und die Augen schließt: ein Symbolbild für den Höhepunkt der „Entspannungspolitik“! Zwei Jahre später muss er sich den Herausforderungen des „Deutschen Herbstes“ stellen. 

Nach seiner Kanzlerschaft wurde er 1983 Mitherausgeber der „Zeit“ (im Haus um die Ecke). Er veröffentlichte rund 300 große „Aufsätze“, wie er sie nannte, und arbeitete noch bis kurz vor seinem Tod mehrmals pro Woche in seinem Büro im 6. Stock. 

Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt gießt Blumen vor seinem Haus in Hamburg-Langenhorn, um 1983 (Foto: J. H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung)

Gerade durch Aufnahmen wie Schmidt am Klavier oder beim Blumengießen zuhause in Langenhorn kommt man dieser Ausnahmepersönlichkeit näher. 

Loki-Schmidt-Garten, Klein Flottbek

In einem Beet beim Nutzpflanzenmuseum, diesem blauen Würfelbau namens Loki-Schmidt-Haus, wächst eine besondere Blume: Mit ihren samtig behaarten, Cape-förmigen Blättern kann sie Wassertropfen fangen und festhalten. „Frau Mantel“ nannte die lütte Loki den Gemeinen Frauenmantel – laut ihrer Eltern die ersten Worte, die sie nach „Mama“ und „Papa“ von sich gab. 

„Frau Mantel“ wächst auch im Loki-Schmidt-Garten in Klein Flottbek, rechts die Büste der berühmten Namenspatin.

Die Wohnung der Familie Glaser war eng, also zog es das Mädchen oft raus ins Grüne, in den nahegelegenen Hammer Park oder zu den Großeltern nach Neugraben und weiter in die Fischbeker Heide: Als Lichtwarkschülerin erfasste, beschrieb und zeichnete sie die Pflanzenwelt im „Kleinen Moor“ des Gebiets. „Es war eine frühe Biotopaufnahme, nur gab es dieses Wort damals noch nicht“, erzählt Museumsleiterin Dr. Petra Schwarz. „Die Arbeit ist leider im Krieg verbrannt, sonst hätte man sie für Vergleiche mit dem heutigen Zustand des Moores heranziehen können.“

Kenia-Expedition 1976: Loki Schmidt in ihrem Zimmer mit Bestimmungsbüchern und weiteren Arbeitsutensilien (Foto: Helmut-Schmidt-Archiv)

Das erträumte Biologiestudium scheiterte an den Studiengebühren (!), alternativ wurde sie Lehrerin und unterrichtete mit viel Herzblut auch Naturkunde. Als Kanzlergattin erfüllte Frau Schmidt nicht nur protokollarische Aufgaben, sondern bildete sich weiter und leistete grüne Pionierarbeit. 1976 gründete sie das Kuratorium zum Schutze gefährdeter Pflanzen. Im Zusammenschluss mit der Stiftung Naturschutz Hamburg entstand 1990 die heutige Loki Schmidt Stiftung. 

Forschungsreisen führten Loki Schmidt unter anderem zum Amazonas und zu den Galapagos-Inseln. Auch wenn sie ihren Mann auf Reisen begleitete, hielt sie die Augen und mitgeführten Plastikbeutel immer offen: Bei einem Damenprogramm in Mexiko 1981 fand sie Bromelien in einem trockenen Flussbett, die ihr fremd vorkamen. Sie steckte zwei Exemplare ein, und zurück in Deutschland kam heraus, dass sie eine noch unbeschriebene Art entdeckt hatte: die Pitcairnia loki-schmidtiae.

Mit ihrer Begeisterung, gepaart mit breitem botanischen Wissen, steckte sie die Menschen an und setzte einiges in Bewegung. Auch im Botanischen Garten: Die Anlage des Bibel- und des Wüstengartens etwa waren ihre Idee. Ebenso das Angebot „Grüne Schule“ für Schulklassen. Sie war auch eine tolle Netzwerkerin und dachte global – wie ihr Mann auf politischer Ebene. So initiierte sie 1986 den Internationalen Gärtner­austausch. Und mit Prof. Hermann Rauhe rief sie die Reihe „Musik und Lyrik im Botanischen Garten“ ins Leben. 

Namib-Wüste 1989: Loki erforscht die Welwitschia, die über 1000 Jahre alt werden kann. Die Pflanze erinnerte sie „an alte Lastwagenreifen oder ein Riesenwischtuch“.

Noch als 90-Jährige betrachtete sie Pflanzen voller Neugier, gerade auch die kleinen oder unscheinbaren. „Ich müsste dreimal so alt werden, um so viele Arten lexikalisch im Kopf zu haben“, sagt Dr. Petra Schwarz bewundernd. Sie sei dankbar, Loki Schmidt noch persönlich kennen gelernt zu haben. Gemeinsam mit der Namensgeberin erarbeitete sie das Konzept des Nutzpflanzenmuseums. „Wichtig war Loki Schmidt, die Informationen und Exponate für jeden begreifbar und erlebbar zu machen.“ Ein Bereich greift typische Alltagsthemen auf: Was esse ich, was ziehe ich an, womit creme ich mich ein? Es erstaunt teilweise, wo überall Pflanzen drinstecken. Das Museum will auch Forscherlust wecken, so wie Loki Schmidt diese einst bei ihren Schülern weckte. Ein Beispiel: Über 100 Pflanzenproben können per Lupe oder unter dem Mikroskop untersucht werden. www.bghamburg.de

Museum für Hamburgische Geschichte, Neustadt

Im Historischen Museum am Holstenwall geht es „Mit Loki in die Welt“ – und zwar in drei Stationen: 1. Station, Lehren – „Blumenwiese“: Neben biografischen Informationen wird Loki Schmidts grundsätzliche Sichtweise auf Natur vermittelt. Man kann in Fotoalben zu Lokis Kindheit und Zeit als Lehrerin blättern und lebende Blumen selbst bestimmen und zeichnen. Mit einer „Forscherkarte“ reist man weiter durch die Ausstellung … 2. Forschen – „Laborfelder“: Die Besucher begleiten Loki auf ihre erste Expedition nach Kenia, zur ältesten Wüsten-Pflanze in Namibia sowie in die Antarktis. Auch ihr Wildnis-Projekt am Brahmsee ist Thema , wie aus einem brachliegenden Acker ein „Urwald“ wurde … 3. Schützen – „Gewächshaus“: Über lange Zeit beobachtete Loki Schmidt den Rückgang von Arten, sie musste etwas tun! Ein offenes Gewächshaus zeigt ihren Weg als Pionierin des Natur- und Artenschutzes und die Fortsetzung ihrer Arbeiten durch die Loki Schmidt Stiftung und andere Institutionen, die heute ebenfalls ihren Namen tragen.

Quellevon Nicoline Haas
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