Anzeige

Ich hab nicht nachgezählt. Dutzende Male mag es bereits in diesem Jahr über meine Lippen gegangen sein. Fälschlicherweise?
Schließlich ist der April zu der Zeit, in der ich diese Zeilen in die Tastatur drücke, noch gar nicht angebrochen. Ist es etwa unerlaubt, das Wort zeitlich außerhalb des Aprils in den Mund zu nehmen? Nicht, dass ich wüsste.
Im Gegenteil. Gerade die Verwendbarkeit an 365 Tagen im Jahr macht es zu etwas so Besonderem. Mehr noch: der Begriff hat das Zeug zum Wort des Monats. Obschon es aus zwei Wörtern besteht, so ist es doch kurz und prägnant – und es sagt alles! Ein Wort für einen Film. Kopfkino, sobald das Wort fällt. Die Wetterprognose kann nicht kürzer und zugleich vielsagender sein. „Aprilwetter“, das sagt alles. Wolkenformation, Gemütszustand, Garderobenempfehlung, Mutmacher, Rückfall, Bodenständigkeit, Robustheit, Charakter. Im Winter flößt es Zuversicht ein, als dass der Frühling nicht mehr weit weg sein möge.
In den Monaten nach dem April steht es für Rückfall. Nur im Monat selbst löst es keine Überraschungsmomente aus.

Die Königin der Wolken

Aprilwetter gehört natürlich in den April. Aber so einfach ist das heutzutage nicht mehr. In fast jedem Monat kann das Wetter mittlerweile ins Straucheln kommen. Dann läuft es zu Höchstform auf, eben „Aprilwetter“. Es ist das gigantische Nebeneinander, das die Faszination für die Königin der Wolken ausmacht. Alles ist gleich so groß, so mächtig. Trotz nassem und grauem Beigeschmack, Aprilwetter braucht die Sonne. Sie ist die Heizung mit bereits im April beeindruckender Fähigkeit als Energiespender zu fungieren, um die kilometerhohen Wolken in den Himmel wachsen zu lassen. Senkrecht sich auftürmende Wolken wie ein Blumenkohl sind Zeichen genug, dass hier Wetterkapriolen in Gange und in der Lage sind, atmosphärische Mächtigkeit auf den Punkt zu bringen. Es bleibt nichts verborgen. Zehn Kilometer hoch wachsen Gewitterwolken im April in den Himmel, um sich dann als Königin der Wolken zu präsentieren. Natürlich erst dann, wenn das abgeplättete Kopfteil einer Krone gleich die Vollständigkeit der Wolke signalisiert. Soweit die Vorbereitung auf die Darbietung, die im Volksmund als Wetterkapriolen bezeichnet werden.

Wir dürfen gespannt sein, was uns in diesem Monat geboten wird – vom „Aprilwetter“, dem Wort des Monats.

Meeno Schrader
Schon seit seinem 15. Lebensjahr ist das Wetter für Meeno Schrader weit mehr als nur Small Talk. Er hat es an den unterschiedlichsten Plätzen der Welt „getestet“ und lebte und arbeitete unter anderem in Australien, Korea, der Karibik und den USA. Seit 2002 ist er der „Wetterfrosch“ des Schleswig-Holstein-Magazins beim NDR. In der Lebensart verrät er jeden Monat einen Gedanken aus seinen Wetterwelten.

Vorheriger Artikel65. JAHRESAUSSTELLUNG EMIL NOLDE – MALER UND GRAPHIKER
Nächster ArtikelDer Rebell von Brokdorf